Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition)
Währung geprägt, die dann intergalaktisch gelten wird: Goldmünzen im Nennwert von hundertfünfzig Yuan, die auf der Frontseite das Sonnensystem zeigen. Wer so weit im Voraus plant, der ist natürlich auch auf Begegnungen im All bestens vorbereitet. So antwortete Shenzhou-VII-Besatzungsmitglied Liu Bonming der Hongkonger Tageszeitung South China Morning Post auf die Frage, was er bei einer Begegnung mit Außerirdischen machen würde: «Ich kann Körpersprache, um meine Freundschaft zu kommunizieren.»
Was aber, wenn die Außerirdischen nicht freundlich gesinnt sind? Kein Problem: Wie jeder aus unendlich vielen chinesischen Filmen weiß, beherrscht jeder Chinese auch eine Körpersprache, mit der er seine Feindschaft kommunizieren kann: Kung Fu! Ich würde mich jedenfalls warm anziehen, wenn ich ein Alien wäre.
V Das große China-Abitur
35 Alle Chinas dieser Welt
Seitdem ich mit meiner rasanten Dolmetscherin die Welt bereise, habe ich plötzlich überall eine Familie. Schließlich gibt es wohl keinen Winkel mehr auf diesem Planeten, wo keine Chinesen leben. So addieren sich zu den momentan 1 330 044 544 Bewohnern Festlandchinas noch einmal rund vierzig Millionen sogenannter Überseechinesen, wobei man der Korrektheit halber festhalten muss, dass nicht alle Bewohner Festlandchinas auch Chinesen sind, nur fast, nämlich 91,5 Prozent. Dazu kommen noch die sieben Millionen bzw. 545 674 Chinesen, die in den Spezialverwaltungszonen Hongkong respektive Macau leben, sowie die 14 313 000 Einwohner Taiwans.
Hongkong hatten wir in diesem Crashkurs ja bereits durchgenommen, und über Hongkongs kleinen Spezialverwaltungsbruder Macau ist nicht viel zu sagen. Außer vielleicht, dass es hier noch etwas spaßiger zugeht als in Spaßchina. Macau ist also eine Art Superspaßchina und lebt von Glücksspiel und von Bestechungsgeldern. Das bringt so viel ein, dass man sich davon neben Kantonesisch die Zweitsprache Portugiesisch leisten kann. Obwohl es heute praktisch niemanden mehr gibt, der die Sprache der ehemaligen Kolonialherren versteht – nur 0,6 Prozent der Bevölkerung können heute noch Portugiesisch –, ist die ganze Stadt damit ausgeschildert. Außerdem findet in Macau seit 2009 eine Sexmesse statt. Bei der Premiere malte ein Australier Porträts von Präsident Obama und seinem republikanischen Herausforderer McCain, allerdings statt mit einem Pinsel mit seinem Penis.
Regiert wird das Zipfelchen China (28,2 Quadratkilometer; ungefähr zehnmal kleiner als Bielefeld) im Moment offiziell von Edmund Ho, tatsächlich aber von dem Hongkonger Unternehmer Stanley Ho, der hier einst das Glücksspielmonopol besaß. Auch wenn die beiden nicht verwandt oder verschwägert sind, muss man offensichtlich Ho heißen, um in Macau etwas zu sagen zu haben. Stanleys Vermögen wird jedenfalls auf sieben Milliarden US-Dollar geschätzt, davon kauft er sich hin und wieder zweihundertachtzehn Karat schwere Diamanten («The Star of Stanley Ho») oder kiloschwere weiße Trüffel. Auch das zum Spaß natürlich. Nicht so viel Spaß haben Herr Leung «Long Hair» Kwok-hung und andere Abgeordnete aus dem Hongkonger demokratischen Lager in Macau, denn ihnen wird in letzter Zeit gerne die Einreise verweigert.
Auch unsere abtrünnige Provinz Taiwan ist im gesamtchinesischen Kosmos nicht so wichtig. Nachdem 1949 der Bürgerkrieg in China beendet war, hatte sich die unterlegene nationalistische Kuomintang-Partei auf diese Insel gerettet. Einundzwanzig lange Jahre versuchte die Volksrepublik China, die Wiedervereinigung mittels Granatenbeschuss der zu Taiwan gehörenden Insel Quemoy zu erzwingen, was von der Inselarmee ebenfalls mit Granatfeuer beantwortet wurde. Bei dieser Ballerei erlitten zwar beide Seiten kaum Verluste, aber als die Volksbefreiungsarmee einmal vierundvierzig Tage lang ohne Unterbrechung gefeuert hatte, sollen ihr tatsächlich die Granatenvorräte ausgegangen sein. Vielleicht wurde ja auch deshalb am Neujahrstag 1979 der Beschuss überraschend eingestellt. Seitdem versucht man, die Wiedervereinigung mit Anführungsstrichen herbeizuführen. Das heißt, wenn in der festlandchinesischen Presse von der taiwanesischen «Regierung» oder dem taiwanesischen «Präsidenten» die Rede ist, stehen diese Begriffe durchweg in Tüttelchen. Dieses Vorgehen hat ja in der Geschichte bereits schöne Erfolge gezeitigt. So konnte die DDR die Anführungszeichen, in die sie der Westen setzte, irgendwann nicht mehr
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