Blind Date mit Folgen - Roman
Spaß ja, aber zu groß sollte der Aufwand nicht sein. Sie schrieb ihm, dass sie sich für die Arbeit zurecht machen musste und verabschiedete sich zum letzten Mal an diesem Morgen.
Sie frühstückte in aller Ruhe zu Ende, dann gönnte sie sich eine ausgiebige Dusche und kleidete sich anschließend an. Da heute wieder ein schöner Tag werden sollte, freute sie sich auf den Spaziergang zur Arbeit. Ihren VW Golf hatte sie bei dem Regenwetter der letzten Tage oft genug nehmen müssen, der Fußmarsch kam ihr nun gelegen.
Als sie aus dem sandfarbenen Altbau in die Eisengasse trat, schienen ihr erste, weiche Sonnenstrahlen entgegen und ihre Miene hellte auf. Bevor sie sich in Richtung Dufourstraße aufmachte, schrieb sie Eveline eine SMS, in der sie ihre Freundin fragte, ob sie Lust hätte nach der Arbeit mit ihr zu joggen.
8
Svens Stereoanlage weckte ihn um neun Uhr mit den lauten Klängen von ›Roxanne‹. Diesen Song von ›The Police‹ brauchte er jeden Morgen, um aus den Federn zu kommen und sich einem weiteren Tag voller Belanglosigkeiten zu stellen.
Er stand auf und widmete sich seinem alltäglichen Morgenritual: 50 Liegestütze, 50 Rumpfbeugen, 30 Minuten Intervalltraining auf dem Hometrainer und zum Abschluss ein paar Hantelübungen vor dem großen Schlafzimmerspiegel. Diesen Teil mochte er besonders, wenn er im Spiegel sah, wie seine Muskeln durch die Beanspruchung aufgepumpt waren und vom Schweiß glänzten. Sven fühlte sich fit und gestärkt für den Tag.
Nach dem Duschen nahm er ein Frühstück zu sich, dass wie immer aus den gleichen Zutaten bestand, einem Bioapfel und zwei Scheiben Dinkelbrot mit Hüttenkäse, dazu trank er einen probiotischen Joghurtdrink. Dann machte er sich mit dem Auto auf den Weg zur Klinik Hirslanden im Kreis 8, die er in knapp zehn Minuten von seiner Wohnung in Zollikon aus erreichte. Heute war er in die Elf-Uhr Schicht eingeteilt.
In der Klinik ging er zunächst ins Ärztezimmer auf seiner Station und sah sich den Tagesplan an. Als Erstes stand ein Vorgespräch mit einer 55-jährigen Patientin an, die wegen eines Schlüsselbeinbruchs operiert werden musste. Dem Patientenblatt entnahm er, dass sie Pia Moser hieß, 1 Meter 54 groß und 62 Kilo schwer war und von Beruf Floristin. Floristin? Sven stieß verächtlich die Luft aus. Eine Frechheit, Blumen zu pflücken und diese lustig aneinanderzureihen überhaupt als Beruf zu bezeichnen.
Da er knapp dran war, ging er gleich in den dritten Stock zu Zimmer 330, klopfte kurz und trat ein. Eine kleine Gestalt saß am Tisch beim Fenster und blickte ihm erwartungsvoll entgegen.
»Guten Morgen, Frau Moser, ich bin Sven Gutmann, ihr Anästhesist für ihre morgige OP. Wie geht es ihnen?«
»Guten Tag, Herr Doktor, ich bin etwas nervös …« Über ihr Gesicht spannte sich ein einziges Netz aus Sorgenfalten. Etwas Botox würde Ihnen nicht schaden, Frau Moser.
»Ich kann sie beruhigen, es gibt keinen Grund, nervös zu sein«, begann er seine immer gleiche Rede bei Frauen ab 50. »Für eine junge Frau wie sie ist diese Operation ein Klacks.« Sie kicherte und wieder einmal dachte er, wie es ihn immer mehr anstrengte, diese Scharade abzuziehen. Er zog das Klemmbrett unter seinem Arm hervor und setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. »Dann wollen wir doch mal schauen, was uns erwartet.«
Er überflog ihr Krankenblatt erneut, besprach mit ihr die einzelnen Punkte und wies sie auf die üblichen Risiken einer Anästhesie hin.
»Haben Sie noch irgendwelche Fragen?«, schloss er ab und wollte sich erheben. Normalerweise war an dem Punkt alles gesagt und er konnte sich wieder Wichtigerem zuwenden.
»Eine Frage hätte ich …« Frau Moser sah ihn schüchtern an. »Kann etwas schiefgehen und besteht die Möglichkeit, dass ich trotz der Vollnarkose Schmerzen habe?«
Natürlich nicht! Was für eine dämliche Frage. Was glaubst du eigentlich, was ich hier tue? Sven ärgerte sich maßlos. Er sollte davon befreit werden, mit Menschen unter 80-IQ-Punkten Vorgespräche führen zu müssen. Da konnte er sich gleich mit einer Geranie unterhalten. »Frau Moder, äh, Entschuldigung Moser«, antwortete er gelassen, »es gibt für sie überhaupt keinen Grund zur Sorge. Sie sind bei mir in den besten Händen.« Er verkniff sich die Bemerkung, dass eine ihrer beiden Hirnzellen womöglich nicht mehr aus der Narkose erwachen würde. Aber selbst dann könnte sie noch ihren Floristinnen-Beruf ausüben, sie müsste bloß aufpassen, vor lauter
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