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Blind Date mit Folgen - Roman

Blind Date mit Folgen - Roman

Titel: Blind Date mit Folgen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Wernli
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Anwohnern nicht gebaut werden durfte und bis über die Grenzen hinaus zu einem Skandal für die Stadt Zürich wurde. Aber sie hatte sich wieder einmal nicht durchzusetzen vermocht und das heiße Thema wurde Rahel Rüetschi, der Stadt-Kommentatorin des Blattes übergeben. Anscheinend traute Borer ihr mehr politische Raffinesse zu. Überhaupt musste sie als People-Kolumnistin bei der Themenvergabe oft bei den sogenannten ›Kulturredaktoren‹ hinten anstehen. Zwar hatte sie ihre eigene, tägliche Kolumne, aber während sich die Tagesredaktoren in ihren Artikeln über Umweltkatastrophen, Managerlöhne oder Wikileaks philosophieren durften, blieben für sie meist Herzschmerz- und Promigeschichten übrig und bei tiefsinnigerem Stoff ging sie regelmäßig leer aus.
    Nun gut, reiß dich zusammen, Maira, alles Jammern nützt dir jetzt nichts. Der Mister-Text war ja zum Glück so weit fertig – sie hatte ihn am Freitag über Mittag in Eiltempo geschrieben –, aber er musste noch etwas redigiert werden. Sie begann, die Zeilen nochmals durchzulesen und realisierte bald, dass sie voller Ironie und zu einer Art Abrechnung mit dem Thema geraten waren. Sie musste schmunzeln.
     
    Von Girls und Boys
    Mister Schweiz: Wer ist der Schönste im ganzen Land?
    Maira Fabien
     
    »Bin ich es? Was meinst du …?«, fragte er zum wiederholten Male den Spiegel. Das Spiegelbild – mittlerweile an den Anblick des nackten Mannes gewöhnt und mit der richtigen Antwort vertraut – hauchte bewundernd: »Du bist es. Du bist ein außergewöhnlich gut aussehender Mann.« Der Bauch? »Was für ein Sixpack!« kam prompt die Antwort. »Der Verzicht auf Pommes hat sich echt gelohnt. Deine Disziplin ist bemerkenswert.« Er spannte den Bizeps. »Stahlhart«, erwiderte der Spiegel, »nicht zu viel Muckis aber genug, damit sie dich als Athleten und nicht als Bodybuilder sehen. Das käme bei der Jury nämlich nicht gut an.« Weiter. Das Lächeln? Er drehte sein Gesicht nach links, dann nach rechts. »Ganz klar das süßeste. Solche Grübchen hat kein Zweiter, deshalb lächle! Lächle, was das Zeug hält, und du haust sie schon beim ersten Durchlauf im Anzug um.«
    Und wenn ich eine Frage nicht verstehe? Das wäre scheißpeinlich. »Lass dich nicht aus der Ruhe bringen, mein Freund. James-Dean-Stirnfalten aufsetzen und Gegenfrage stellen, dann kann nichts schiefgehen. Denk immer daran: Du bist ein außergewöhnlich gut aussehender Mann, deshalb stehst du im Finale.« Okay. Was noch? »Erzähle von deinen inneren Werten! Die wollen sehen, wie du so bist. Erwähne die Greenpeace-Mitgliedschaft, deine Boxer-Hündin Chaya und deinen Sinn für Humor. Du bist total lustig.« Stimmt. Die Ex hatte bei seinen Witzen immer gekichert. »Und vergiss nicht: Du bist treu und liebst Kinder! Das wollen sie hören, die Frauen.« Alles klar. »Und wenn sie wissen wollen, was du besonders gut kannst?« Öhm, keine Ahnung. »Zuhören. Einfach zuhören. Das tust du gern. Und gut, schieb das ruhig nach. Du bist ein außergewöhnlich gut aussehender Mann.« Er grinste übers ganze Gesicht. »Eigentlich kann man dich nur beneiden.« Er sah sich im ›Blick‹ auf Seite eins abgebildet, wie er von den anderen Kandidaten auf den Schultern getragen und umjubelt wurde. Aber Mist, was, wenn ich die Choreo verpatze? »Easy. Die Schritte hast du im Griff, schließlich bist du das letzte halbe Jahr vor mir rumgetänzelt. Bei einem Fehltritt lächle.« Das ist ja einfach, das kann ich. »Ich wünsch dir viel Glück, Alter. Auf den schönsten Schweizer im Land. Du bist es. Du bist der neue Mister Schweiz.«
     
    Maira korrigierte noch einige Grammatikfehler, schrieb hie und da einige Zeilen um, dann mailte sie die Kolumne an die Redaktion von ›Täglich Zürich‹, die den Text vor dem Druck nochmals korrigierte. Es war eindeutig nicht ihr bestes Werk, dafür war das Thema mit den Wahlen aktuell.
     
    Die Uhr am Computer zeigte 5:15. In knapp drei Stunden würde sie zur Arbeit fahren, schlafen lohnte sich nicht mehr.
    Bevor ihre Gedanken zu Yaron zurückkehren konnten, ging sie in die Küche, um Kaffee zu machen und ein reichhaltiges Frühstück zuzubereiten. Das Frühstück war ihre ausgiebigste Mahlzeit am Tag. Da sie mittags meistens im Büro blieb, sich nur einen Snack oder Salat einverleibte, und abends keine Lust auf Kochen hatte, legte sie am Morgen umso größeren Wert auf eine gesunde Ernährung.
    Mit vollem Tablett kam sie zurück, stellte alles auf den Tisch und loggte sich bei

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