Blind Date mit Folgen - Roman
musste. Natürlich ging sie ihm mit der Nörgelei wegen Italien auf den Wecker, wie aber sollte sie ihm sonst beibringen, dass die Familie einen Urlaub nötig hatte? Die letzten gemeinsamen Ferientage lagen fast ein Dreivierteljahr zurück, an Weihnachten waren sie eine Woche Skifahren gewesen, seither hatte sie das Thema vergebens angesprochen. Deborah war sich ziemlich sicher, dass es an der Agentur lag, die ihn mehr forderte, als Alex sich selbst eingestand. Das würde auch seine ständige Gereiztheit und den Rückzug in sein Arbeitszimmer erklären, sobald er zu Hause war. Er brauchte ein Ventil und statt sie mit seinem Verdruss zu belasten, trug er die Probleme lieber mit sich allein aus, was ja völlig okay war. Sie durfte ihn nicht so unter Druck setzen, damit würde sie nur das Gegenteil erreichen. Sie würde die Angelegenheit erst mal ruhen lassen und ihrem Mann den nötigen Raum geben, er würde dann bestimmt von selbst wieder auf sie zukommen.
Das Frühstück stand bereit. Deborah ging zum Kinderzimmer und weckte ihren Sohn mit sanften Küsschen auf die Wange. Michel drehte sich um, stellte sich dabei schlafend und sie busselte ihn weiter, nun auch auf sein Haar und die Ohren. Er lächelte, denn er liebte dieses Morgenritual. Es war für sie der schönste Moment des Tages.
»Zeit zum Aufstehen, mein Schatz«, flüsterte sie. »Frühstück ist fertig.« Er gab einige unverständliche Laute von sich und während er sich in Zeitlupentempo erhob, legte sie seine Kleider zurecht und half ihm beim Anziehen.
Es war 7:45 Uhr und um 8:30 Uhr musste er in seiner Spielgruppe sein, wo sie ihn jeden Morgen hinfuhr. Während er für Pipi ins Bad ging – das er seit ein paar Wochen stolz selbstständig erledigte –, holte sie die kleine Vase, an der sie die letzten Tage gearbeitet hatte, aus ihrem Mal- und Alleszimmer und setzte sich damit an den Küchentisch. Die Farbe war getrocknet. Sie begutachtete ihr Werk und fand, dass ihr die Gestaltung diesmal besonders gut gelungen war. Sie hatte eine traditionelle Vasenform genommen und das Gefäß mit bunten Motiven von mesopotamischen Vorbildern bemalt, was einen hübschen Kontrast darstellte und der Vase eine besondere Eigenart verlieh. Sie stellte sie auf den Fenstersims. Wenn sie das nächste Mal Zeit hatte, würde sie sich an den großen, chinesischen Krug wagen, der seit Wochen bereit stand und nur darauf wartete, von ihr verschönert zu werden.
Michel schlurfte in die Küche und setzte sich zu ihr an den Tisch. Während er frühstückte und sie ihren schwarzen Kaffee trank, plapperten sie eine Weile angeregt über seine von ihm verehrte, äußert populäre Gruppenleiterin, dann packte sie ihre Akten zusammen und machte sich mit ihm auf den Weg.
10
Es war kurz nach 19 Uhr und Alex schloss ziemlich erschöpft die Tür zur Wohnung auf. Immer noch war es entsetzlich schwül und sein Hemd klebte am Rücken.
Es duftete herrlich nach frisch gebackenem Kuchen. Er warf seine Aktentasche in eine Ecke, legte die Schlüssel und das Handy auf die Kommode und blieb im Eingangsbereich stehen, um den Geräuschen zu lauschen. Die dunkelgrün gestrichenen Flurwände strahlten beim Betreten der Wohnung stets eine beruhigende Wirkung auf ihn aus und schon nach ein paar Sekunden merkte er, wie sein Puls langsamer wurde und die Anspannung aus seinem Körper wich. Deborah hantierte in der Küche und Michel spielte in seinem Zimmer. Eigentlich sollte er sich zu ihr gesellen und behilflich sein. Das würde er gleich machen, erst musste er sich kurz im Chat einloggen. Wenn der Tag nicht so sehr mit Sitzungen belegt gewesen wäre, hätte er im Büro Zeit dafür gehabt. Auch das Golfspielen mit Chris über Mittag hatte er vor lauter Arbeit absagen müssen, was ihm jedoch gelegen kam. Es war viel zu heiß gewesen, außerdem hatte er keine Lust, mit Fragen wegen des Chats durchlöchert zu werden. Und es war klar, dass Chris nachgehakt hätte.
Für einen raschen Begrüßungskuss trat er in die Küche. Ein Schwall heißer Luft schlug ihm entgegen, sodass er am liebsten gleich wieder kehrtgemacht hätte, aber der aus dem Ofen strömende Duft war köstlich und ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Deborah hatte eine Schürze umgebunden und stand an der Kochinsel inmitten eines immensen Durcheinanders aus Töpfen, dutzenden Eierschalen und verstreutem Mehl. Er umarmte sie von hinten und gab ihr einen Kuss auf das Ohrläppchen.
»Mmmh, was riecht denn da so gut …?«
»Na, was
Weitere Kostenlose Bücher