Blind Date mit Folgen - Roman
gekleideten Mann Mitte 30 ab.
Plötzlich stockte Maira der Atem. Moment! Das konnte nicht sein.
Sie kniff ihre Augen zusammen. Nein! Sie hatte das Gefühl, ihr Herz müsse aussetzen. Starr stand sie da und hoffte, es sei ein Irrtum und die Augen würden ihr einen Streich spielen. Sie blinzelte und sah genauer hin, aber ihre Augen trogen sie nicht: Obwohl ein Teil seines Gesichts von einer Zeitung – einer Bildzeitung, wenn sie es richtig entzifferte – verdeckt war, erkannte sie den Mann, der in einem Fauteuil schräg unter der Glaskuppel saß. Er war schwarz gekleidet, ein feuerrotes Tuch quoll aus seiner Westentasche hervor. Ihr Blick suchte blitzschnell seine Finger ab. Maira betete, dass alles normal sei, doch da entdeckte sie es: An der linken Hand war die Fingerkuppe seines Ringfingers verkürzt. Yaron.
Instinktiv sprang Maira hinter eine der Säulen, die den Gang vom Salon trennten. Er hatte sie noch nicht gesehen. Sie hielt sich an dem kalten Marmor fest, denn um sie herum fing sich alles an zu drehen und sie rang nach Luft. Yaron. Das konnte nicht sein. Unmöglich. Sie spähte vorsichtig hinter der Säule hervor. Kein Zweifel: Dort saß er.
Ihr Yaron. Aber wo war FEUER33? Sie musterte nochmals die wenigen Gäste im Salon; da war niemand, der auch nur annähernd auf seine Beschreibung passte.
Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Yaron war FEUER33! Er musste es sein, die schwarze Kleidung, das rote Tuch, die Fingerkuppe. Und letzten Samstag …? Das war Yaron? Nein! Unmöglich! Nein. Das hätte sie sofort gemerkt. Außerdem war er doch seit vielen Jahren tot! Wie konnte er hier sein?
Sein Haar war an den Schläfen völlig ergraut. Auch sein Gesicht war gealtert, aber sie hatte ihn trotzdem sofort erkannt. Er las eine deutsche Zeitung? Er verstand doch gar kein Deutsch. Wieso …? Sie hatten am Samstag Deutsch gesprochen. Graues Haar, viel länger als früher und gewellt. Aber ja! Wegen des Militärs hatte er sich den Schädel immer kurz geschoren. Er war verheiratet und hatte einen Sohn. Ihre Gedanken überschlugen sich.
Yaron, ihr Yaron war verheiratet mit einer anderen. Er chattete. Er sprach Deutsch. Ohne Akzent! Er wollte die Sprache doch nie lernen. Deshalb hatten sie ja immer Englisch geredet. Wartete er tatsächlich auf SECRETS? Sie war doch auf seiner Beerdigung gewesen! Bitte lieber Gott, hilf mir.
Maira wurde plötzlich klar, dass er sie erkennen würde, sobald er die Zeitung senkte. Sie flüchtete den Gang entlang in Richtung der Toiletten. Ihr Herz klopfte viel zu schnell und ihre Beine drohten nachzugeben. Nur noch ein paar Meter! Dann konnte sie zusammenbrechen und weiß Gott was alles, aber erst dann. Auf einmal rauschte es ohrenbetäubend in ihrem Kopf und ihr wurde schwarz vor Augen. Bevor sie umfiel, wurde sie von zwei starken Armen aufgefangen.
»Madame, geht es Ihnen nicht gut?«
Mit benebeltem Blick nahm sie einen Pagen wahr.
»Brauchen Sie Hilfe?«
»Wo ist die Toilette?«
»Den Gang hinunter und dann links, Madame.«
Sie schaffte es gerade noch in den Waschraum, warf ihre Handtasche neben das Waschbecken, bevor sie sich in die Toilettenschüssel der ersten offenen Kabine übergab.
Etwas später, nachdem ihr Magen wieder zur Ruhe gekommen war, stand sie auf und schlurfte zum Lavabo. Sie spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und sah sich um, ob jemand im Raum war, doch alle Toiletten waren leer. Ihr Spiegelbild starrte sie mit weit aufgerissenen Augen, knallroter Nase und kreideweißem Gesicht an. Maira wandte sich ab. Sie zitterte am ganzen Körper, ihr war eiskalt, aber sie hatte keine Jacke dabei, verdammt. Sie nahm ihre Handtasche, schloss sich in einer der Kabinen ein und sank zu Boden. Tränen rannen über ihre Wangen. Er war doch tot, tot, tot, tot. Stundenlang hatten sie Zärtlichkeiten ausgetauscht, und es war die ganze Zeit Yaron gewesen … Sie konnte es immer noch nicht fassen. Und wieso lebte er in Deutschland, ausgerechnet in Deutschland? Maira schüttelte heftig den Kopf und umschlang mit den Armen ihre Beine, um sich etwas Wärme zu geben. Yaron war also nicht tot. Das Ganze war nur eine Täuschung gewesen? Aber warum? Warum? Tausend Fragen schossen ihr durch den Kopf und es fühlte sich an, als würde er gleich explodieren. Er hatte sie doch geliebt! Warum also ihre Beziehung auf diese grässliche Art beenden? Ihr seinen Tod vortäuschen? Wenn er nicht mehr mit ihr zusammen sein wollte, hätte er es ihr einfach sagen und Schluss machen
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