Blind Date mit Folgen - Roman
Landessprache erlernen müssen. Mit perfektem Deutsch war er sicherer vor den Fahndern. Das Geld von seinem Vater half ihm anfangs über die Runden, sein Ehrgeiz hatte jedoch bald die Oberhand gewonnen, und Alex wollte seinen Unterhalt möglichst rasch selbst verdienen.
An seinen freien Abenden und Wochenenden arbeitete er als Kellner, bis Samuel Bloch ihm einen Job samt Arbeitserlaubnis in einer internationalen PR-Agentur besorgte. Dort war sein anfängliches Deutschmanko kein Nachteil gewesen, denn die Firmensprache war Englisch. Samuel kümmerte sich überhaupt in vielen Belangen um ihn und ihre Freundschaft wuchs stetig. Er war es auch gewesen, der ihn zu jener Hochzeit mitnahm, bei der er Deborah kennenlernte. Leider hatten sie sich in den letzten Jahren immer seltener gesehen, was wohl daran lag, dass sie beide beinahe gleichzeitig Familienzuwachs bekommen hatten und Alex später einen großen Teil seiner Zeit in den Aufbau seiner eigenen Agentur steckte.
Wärme, wie sie Menschen wie Samuel ausstrahlten, vermisste er hier bei vielen Leuten. Oft kamen sie ihm kühl und distanziert vor, vielleicht lag das an der deutschen Mentalität: Ordentlich, vernünftig, verantwortungsbewusst, so würde er die deutschen Wesenszüge beschreiben, aber die Menschen hier schienen immer gestresst und litten unter Mundwinkelschwere. Bei aller Zielstrebigkeit vermisste er eine Gemütlichkeit, wie er sie von zu Hause kannte. Er hatte lernen müssen, sich anzupassen.
Da er nie praktizierender Jude gewesen war, hatte ihm das Aufgeben seiner Religion nichts ausgemacht. Das war ein wichtiger Punkt gewesen, denn je mehr öffentliche Versammlungen – wie etwa in einer Synagoge – er besuchte, desto größer war das Risiko, entdeckt zu werden. Im ersten Jahr hatte er sehr zurückgezogen gelebt, auch zu Anfang seiner Beziehung mit Deborah. Er war von LEBE NEU!© strikt instruiert worden, sich in den ersten Monaten unauffällig zu verhalten und ein ruhiges Leben zu führen. Das hatte er befolgt, war erst später geselliger geworden, und wagte sich schließlich vermehrt in die Öffentlichkeit. Obwohl er nun seit vielen Jahren hier lebte, so fühlte er sich doch als Fremder, denn im Innersten war er Israeli geblieben. Heimweh plagte ihn des Öfteren und manchmal, wenn es ganz schlimm wurde, kaufte er im Laden um die Ecke koscheres Essen. So bekam er wenigstens ein Stück Heimat zurück.
Er fragte sich oft, wie sein Leben wohl verlaufen wäre, wenn Maira die Wahrheit gekannt hätte. Wären sie noch zusammen? Sie mit gebrochenem Herzen zurückzulassen, war die schwerste Entscheidung seines Lebens gewesen. Aber er hatte seinen Entschluss nie bereut, denn ihre Sicherheit und die seiner Familie erschienen ihm wichtiger als seine Liebe zu ihr.
Er nahm an, dass Maira nach seinem ›Tod‹ in die Schweiz zurückgekehrt war. Dort hatte er sie suchen wollen. Doch während die Monate verstrichen, und er sich langsam in Alexander Sailer verwandelte, rückte die Vergangenheit immer weiter weg. Es war nicht so, dass seine Liebe für Maira völlig schwand, sie war jedoch Teil eines anderen Lebens, ein Leben, das nicht mehr seines war und das er für immer abgelegt hatte. Von Simon Kerlinger wurde ihm damals geraten, ein bis zwei Jahre zu warten, bevor er sie aufsuchte. Aber es war nicht realistisch gewesen, nach so langer Zeit den Kontakt wieder aufzunehmen. Er hatte die alten Wunden nicht mehr aufreißen wollen. Dann waren die Jahre nur so vorbeigezogen. Sein Leben bestand hauptsächlich aus Arbeit und nach der Geburt seines Sohnes war er Familienvater mit Leib und Seele geworden. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass Maira inzwischen selbst verheiratet war und Kinder hatte. Und sicher fand sie das Glück wieder. Auch er war mit Deborah glücklich geworden. Mit ihr hatte er ein neues, schönes Leben aufgebaut, und obwohl Maira nie ganz aus seinen Gedanken verschwunden war, glaubte er, dass er wirklich mit Deborah hatte zusammen sein wollen.
Nach ihrer vierten Verabredung hatte es bei ihm so richtig gefunkt und er wollte, dass aus ihrer Bettgeschichte etwas Langfristiges würde. An dem Abend hatte er Deborah seine Vergangenheit erzählt, mit der absoluten Gewissheit, dass ihr Mitwissen nur gut für ihn sein konnte. Einige Monate später waren sie zusammengezogen, hatten bald darauf geheiratet, und seit er sie kannte, hatte Deborah ihm den nötigen Halt gegeben. Ohne sie hätte das Einleben und seine Verwandlung viel länger gedauert. Vielleicht
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