Blind Date mit Folgen - Roman
Wiederauferstehung eines Menschen auch groß erklären? – machten sich die Freundinnen sogleich daran, alles, was Maira irgendwie mit Yaron verband, hervorzukramen. Wie besessen rannten sie mit Abfallsäcken von Schrank zu Schrank, zogen Schublade um Schublade heraus und stopften alte Yaron-Überbleibsel wie Decken, CDs, Bücher oder Kleider, die sie von ihm geschenkt bekommen hatte, in die Mülltüte. Als Maira das weiße Sommerkleid in den Händen hielt, zögerte sie einen Moment und blickte fragend zu Eveline, als diese nickte, trennte sie sich auch davon. Sie würde dem Stück Stoff nicht nachtrauern. In jedem Feng-Shui-Anfängerkurs wurde einem gepredigt, man solle sich regelmäßig von unnötigem Ballast trennen. Wieso hatte sie die elementare Regel jahrelang missachtet und zugelassen, dass sich eine Tonne Altlasten in ihrer Wohnung angestaut hat? Außerdem war das Kleid seit Jahren aus der Mode. Sie wollte gerade ins Schlafzimmer gehen, als das Signal einer Mail ertönte und sie zusammenzucken ließ.
Die Frauen warfen sich einen Blick zu, dann gingen sie ins Wohnzimmer und setzten sich an den Kaffeetisch, wo der Laptop stand.
von André Martig:
Hi, Maira! Danke für deine Antwort, hat mich gefreut, dass du zurückgeschrieben hast. Vor einiger Zeit hab ich in deiner Kolumne mal gelesen, dass du ein riesiger Fan der Band ›Muse‹ bist. Hast du gewusst, dass Muse am Freitag in zwei Wochen im Berner Wankdorfstadion spielen? Ich finde sie auch genial und habe darum vor Monaten Tickets (in der besten Sitzkategorie) bestellt. Hast du Lust mitzukommen? Es würde mich freuen. Hier noch meine Nummer, für den Fall: 079 / 793 88 00
Gruss, André
Trotz ihres Grams musste Maira lächeln. Natürlich wusste sie vom Muse-Konzert. Wenn sie in letzter Zeit präsenter gewesen wäre, hätte sie selbst an Tickets gedacht, so aber hatte sie es komplett verschwitzt. Sie sah zu Eve, die neben ihr saß und sie angrinste.
»Muse.« Ihr Grinsen wurde immer breiter. »Kannst du Muse ablehnen?«, fragte sie spitzbübisch und mit hochgezogenen Brauen. Muse war Mairas absolute Lieblingsband und obwohl sie immer noch völlig durcheinander war, hellte der Gedanke an ein Konzert sie auf.
»Eigentlich nicht …«, murmelte sie. »Soll ich wirklich mit ihm da hingehen? Ich kenn ihn ja überhaupt nicht, und das wäre ja schon wieder ein Blind Date.« Sie sah Eve freudlos an.
»Na ja, ganz blind ist es ja nicht. Immerhin kenne ich ihn, außerdem kannst du im Internet seine Sendungen anschauen, du kannst dir also jetzt sofort ein Bild von ihm machen. Wollen wir?«
»Nein, das machen wir später. Lass uns erst das hier beenden, das ist wichtiger.«
»In Ordnung, aber ich würde mit der Antwort nicht zu lange warten, die Muse-Tickets sind heiß begehrt …«
Da hatte sie recht. »Weißt du was, ich schreib ihm schnell zurück, dass ich gerne kommen werde. Ich gehe ja wegen Muse dorthin, nicht wegen ihm, also spielt’s überhaupt keine Rolle, wie er aussieht.«
»Überhaupt keine Rolle«, erwiderte Eve mit einem Lächeln. »Du wirst eine Überraschung erleben, meine Liebe.«
Diese Gewissheit teilte Maira nicht und es war ihr auch egal. Da sie sich wieder an die Arbeit machen wollte, schrieb sie André nur ein paar knappe Zeilen zurück, in denen sie zusagte und sich für die nette Einladung bedankte.
Während Eveline sich im Flur umsah, kramte Maira in ihrer Schmuckschatulle im Schlafzimmer nach dem Verlobungsring. Sie konnte nicht widerstehen und steckte ihn sich an den Finger. Eingehend betrachtete sie das gelbgoldene Band mit dem kleinen Solitär. An einem Wochenende in Tel Aviv hatte Yaron sie bei einem Strandspaziergang im Sonnenuntergang damit überrascht. Sie hatte den Ring bis vor drei Jahren als Anhänger an ihrem Halskettchen getragen. Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen und sie setzte sich aufs Bett.
»Hier ist nichts!«, hörte sie Eve vom Flur rufen. Sie gab keine Antwort und schnäuzte sich die Nase. Eve erschien im Türrahmen und mit einem kurzen Blick auf Mairas Hand hatte sie die Situation erfasst.
»Ach, Mist!« Sie nahm neben ihr Platz und legte den Arm und ihre Schultern. »Arme, liebe Maira. Es tut mir so leid, dass du das durchmachen musst. Ich hab keine Ahnung, wie ich dir helfen könnte, ich finde keine Erklärung für das alles … wir müssen da jetzt einfach zusammen durch, okay?«
»Darf ich ihn behalten?«, frage sie mit erstickter Stimme.
Ihre Freundin streifte ihr den Ring ab
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