Blind Date mit Folgen - Roman
wenigstens müsste sie ihm nicht schreiben. Ihr widerstrebte die Chat-Begegnung mit Yaron so sehr, dass sie Mike – nachdem er das Internet bei ihrem Laptop wieder in Gang gebracht hatte – auf einen Drink bei sich einlud und ihn so lange auf dem Balkon vollquasselte, bis er sich verlegen entschuldigte, weil schon lange der nächste Termin auf ihn wartete.
Nein, sie musste wissen, was los war, musste es schwarz auf weiß lesen, warum er wieder unter den Lebenden weilte.
Da sie es nicht länger hinauszögern konnte, fuhr sie den Laptop hoch und loggte sich bei ›Room2Chat‹ ein. Sie überlegte, ob sie nochmals alle Texte durchlesen sollte, die er ihr seit Beginn ihres Chats geschrieben hatte, entschied sich jedoch dagegen, weil es sie noch mehr durcheinander bringen würde. Sie scrollte zu den eingegangenen Nachrichten ihres letzten Dialogs, um den Anschluss wiederzufinden.
Ihre Augen fixierten die Zeilen, die sie ungläubig zu lesen begann. Maira blinzelte, sah dann wieder auf den Monitor und nahm – warum auch immer – wahr, wie Matt Bellamy im Hintergrund ›Starlight‹ sang. Sie scrollte weiter nach oben und überflog nun alle Nachrichten von FEUER33 der letzten Tage. Dummerweise wurden die gesendeten PN’s ja nicht gespeichert, so dass SECRETS’Antworten an FEUER33, denen sie ungläubig gewahr wurde, für sie im Dunkeln blieben und sie sich den Dialog zusammenreimen musste. Aber das Bild wurde immer klarer. Maira realisierte das Unfassbare. Das konnte nicht sein. Wer in aller Welt …?
Als Erstes kam ihr Sven in den Sinn. Sven? Aber er würde doch nicht …? Oder doch? Da plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sven! Das würde sein bizarres Verhalten erklären, das er in letzter Zeit, eigentlich seit Beginn ihrer Chat-Story, an den Tag legte, seine Eifersüchteleien, das Ausfragen nach ihrem Date, dann wiederum das gespielte Desinteresse. Den seltsamen Blick, den er ständig hatte, wenn sie von FEUER33 erzählte … und so einiges mehr. Die Puzzleteile fügten sich langsam zusammen und es fröstelte sie. Oder gab es noch eine andere Möglichkeit? Sie ging die Personen durch, die von ihrem Date wussten … Eve und Sven … und von den beiden blieb nur Sven übrig, der ihr dies antun würde.
Sven. Sven gab sich als SECRETS aus und chattete mit Yaron. Schon die ganze Zeit über! Aber weshalb? Und wieso hatte sie nichts gemerkt? Wie war er an ihr Passwort gekommen? Nun, die Frage konnte sie einfach beantworten; bei ›Room2Chat‹ brauchte er nur ihr Pseudonym einzugeben und ihr Passwort ›Pacino‹ war so pipieinfach, dass sie sich selbst ohrfeigen konnte. Sven, gemein und hinterhältig mit ihr, Maira? Sie konnte es kaum fassen. Aber wieso denn nur …? Was wollte er damit bezwecken? Sie fand keine Erklärung. Sie las den Chat von Yaron nochmals aufmerksam durch. Sven lockte Yaron zu einem Treffen, heute Abend. Heute Abend! Sie war alarmiert. Was führte er im Schilde? Irgendetwas stimmte hier nicht. Maira wurde unwohl.
Sie sprang auf. Es beschlich sie eine böse Ahnung, völlig unkonkret, aber etwas Dunkles war im Anzug, das fühlte sie. Sie musste es verhindern, doch was sollte sie tun? Unschlüssig stand sie da. Dann kramte sie in der Handtasche nach ihrem Telefon und wählte Svens Handynummer. Sie ließ es zehnmal klingeln, aber er antwortete nicht. War er bereits im Hotel? Die Combox schaltete sich ein, sie hinterließ jedoch keine Mitteilung. Und Yaron? Yarons Telefonnummer stand doch in einer der Chat-Nachrichten, er hatte sie für SECRETS aufgeschrieben. Sie ging zum Laptop zurück und suchte nach dem Eintrag. Da war er! Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Mist. Jetzt musste sie persönlich mit ihm sprechen, schreiben wäre hundertmal einfacher gewesen. Mist, Mist, Mist! ›Starlight‹ säuselte in ihrem Ohr. Wie sollte sie ihm …? Aber da wählten ihre Finger schon die Nummer. Während es klingelte, überlegte sie sich, wie sie das Gespräch am besten beginnen sollte. ›Hallo, hier ist deine ehemalige Verlobte Maira. Ich bin Secrets, mit der du gechattet hast.‹? Kurz und schmerzlos und natürlich wäre er bestürzt und fassungslos. Aber egal, wie schonend sie es ihm beizubringen versuchte, er würde daran zu kauen haben. Wie sie. Es läutete weiter, aber niemand antwortete. Verflixt, sie war zu spät! Nach dem zehnten Klingeln legte sie auf.
Maira blickte auf die Uhr. 17.45 Uhr. Vielleicht. Vielleicht reichte es noch, wenn auch knapp. Sie musste den Flieger nehmen. Sie rannte
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