Blind vor Wut
Polizei.«
»Aber nur, um mein Verhalten zu loben«, entgegnete ich. »Wenn sie allerdings deinetwegen gekommen wäre …«
Was ich denn damit andeuten wolle, fragte sie. Warum solle ihretwegen denn die Polizei kommen?
Ich grinste und zwinkerte ihr zu.
»Allen! Antworte mir!«
»Nun, da könnte es zwei Gründe geben«, sagte ich. »Ein Grund bist du selbst – das, was du bist.«
»Und was genau bin ich?«
»Na ja, es könnte noch einen zweiten Grund geben. Kleindiebstahl. Der Fall des entwendeten Füllfederhalters von Mr. Velie heute Morgen und der Versuch, es mir anzuhängen.«
Mutter holte erschrocken Luft und verzog überrascht den Mund. »Warum – also, das ist eine Lüge! Ich habe nichts dergleichen getan!«
Ich zuckte mit den Schultern. »Na gut. Wie du meinst.«
»Das ist doch verrückt, und das weißt du auch! Warum, um alles in der Welt, sollte ich einen Füllfederhalter stehlen?«
»Vielleicht ein Zwang«, meinte ich. »Du bist eine Klepto manin.«
Sie sah mich an, die Augen zusammengekniffen, während ihre üppigen Brüste sich heftig hoben und senkten. »Ich wette, das hat dir diese schreckliche kleine Josie Blair eingeredet, nicht wahr? Und du glaubst ihr mehr als deiner eigenen Mutter!«
»Gott bewahre«, entgegnete ich. »Auch wenn meine eigene Mutter jedem anderen eher glauben würde als mir. Aber um auf Josie Blair zurückzukommen – sie hat dich nicht beschuldigt. Sie hat geschworen, dass ich es nicht gewesen sei, und es Velie angelastet. All deine klugen Pläne, ihn dazu zu bringen, dass er mir den Arsch versohlt, sind damit gescheitert.«
»So etwas muss ich mir nicht anhören«, sagte sie streng. »Ich werde mir kein weiteres Wort dazu mehr anhören!«
»Und glaube bloß nicht, dass ich den Mistkerl nicht dafür bezahlen lasse, wie er mich behandelt hat«, fuhr ich fort. »Bevor ich mit ihm fertig bin, wird er mit bloßen Fingernägeln die Wände hochklettern.«
Sie schob ihren Teller von sich und sprang auf, beugte sich einen Augenblick über mich und keuchte vor Enttäuschung und Wut. Dann setzte sie sich langsam wieder hin.
Mit leiser Stimme sagte sie, ich solle mir zwei Dinge gut merken. Erstens habe sie in keiner Weise geplant, Velie gegen mich aufzuhetzen. »Das bildest du dir alles nur ein, Allen. Nichts weiter. Du hattest schon immer einen Verfolgungswahn, mit mir als deine Verfolgerin …«
»Was ja auch stimmt«, unterbrach ich sie. »Sonst würdest du ja nicht versuchen, einen Hirnchirurgen aus mir zu machen.«
»Was?«, fragte sie. »Wovon, um alles in der Welt, redest du da?«
»Ach, schon gut«, erwiderte ich, und sie solle einfach fortfahren. »Du hattest mir doch noch was anderes zu sagen, oder? Dahingehend, dass du mich, wenn ich mich nicht anständig benehme, in eine Irrenanstalt sperren lässt.«
Sie biss sich auf die Lippen, nahm ihren Blick schuldbewusst von mir und nickte ruckartig. »Also gut«, erklärte sie. »Sosehr es mir zuwider wäre, das zu tun, Allen, ich …«
»… du würdest es nicht tun«, fiel ich ihr ins Wort. »Erstens gibt es dafür keinen Grund; du kannst mir absolut nichts anhängen. Nicht nur das, du wirst im ganzen Land auch keinen Psychiater finden, der nicht davon überzeugt wäre, dass ich in einem Pickel an meinem Schwanz zehnmal so viel Intelligenz besitze wie du in Hirnstamm und Kleinhirn und Großhirn und Stirnlappen zusammen.«
»Du … du überhebliches kleines Stück Rotz!« Ihre Augen funkelten. »Wie redest du überhaupt mit deiner eigenen Mutter!«
»Das«, sagte ich und nickte, »das vor allem ist der Grund, warum du diese Drohung, mich einzuliefern, niemals wahrmachen wirst. Weil du meine Mutter bist. Eine weiße Frau mit einem Niggerblag. Das war dein Fehler, und es gibt keine Möglichkeit für dich, dass du dich der Verantwortung entziehst. Du kannst mich dafür bestrafen, und die Gelegenheit dazu lässt du ja nur selten aus, selbst wenn es nur unbewusst geschieht. Du kannst ja nicht offen zugeben, dass du mich hasst, kannst ja mit mir nicht anstellen, was du willst.«
Sie starrte mich an, die Gesichtszüge entglitten ihr, Tränen schossen ihr in die Augen. »Ach, A-Allen«, stammelte sie schluchzend. »Ich bemühe mich doch so sehr! Wie kannst du nur glauben, dass ich dich hasse?«
»Wie denn nicht?«, fragte ich zurück. »Schau doch mal.«
Ich deutete auf den großen Spiegel, der die lange Seite des Esstischs flankierte. Sie drehte langsam den Kopf und schaute hinein, und ich tat es ihr gleich. Unsere
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