Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Thompson

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dümmsten Schülers, nicht des durchschnittlichen, oder?«, widersprach ich. »Ganz wie bei Marx und Engels, um eine Parallele aufzuzeigen. Die Niedrigsten oder Ärmsten sind stets das entscheidende Maß.«
    »Kann gut sein«, meinte Velie. »Kann gut sein. Aber wir haben gewisse Vorgaben einzuhalten – Standards, die vom Staat festgelegt sind –, und nach denen werden wir uns richten. Sonst …!«
    »Das erinnert mich an ein Zitat von Henry Ford Sr. aus den Tagen des Model T«, sagte ich. »Er meinte, ein Kunde könne jede Wagenfarbe haben, die er möchte, solange es Schwarz sei.«
    »Henry Ford war einer der erfolgreichsten Männer der Nation, Allen.«
    »Wie konnte er sich da irren?«, sagte ich.
    Velie sah auf seinen Schreibtisch, dann hob er die Augen. Dann sah er wieder auf seinen Schreibtisch, trommelte mit den Fingern darauf, als morse er um eine Antwort, die er anders und andernorts nicht finden konnte.
    »Allen«, meinte er schließlich, »ich weiß, Sie sind im Grunde Ihres Herzens ein feiner junger Mann. Das haben Sie gestern mit Ihrer offenherzigen Vergebung mir gegenüber bewiesen, als ich so überaus falschgelegen hatte. Dennoch …«, er seufzte schwer, »dennoch …«
    Er öffnete eine Schreibtischschublade, nahm einen Notizblock heraus, fing an zu schreiben und sprach, ohne den Blick zu heben.
    »Ich schicke Sie für den Rest des Tages in die Freistunde. Ab morgen sind Sie für drei Tage vom Unterricht suspendiert.«
    Er riss das Blatt vom Block und reichte es mir. Ich dankte ihm und stand auf.
    »Wenn ich Sie um einen kleinen Gefallen bitten darf, Sir …«
    »Aber natürlich! Sehr gern. Ich werde Ihrer Mutter erklären, dass ich Ihnen bei dieser Angelegenheit keine Schuld gebe … ähm, nun, zumindest nicht Ihnen allein.«
    »Danke«, sagte ich »aber darum wollte ich Sie nicht bitten. Ich wollte einfach nur vorschlagen, dass Sie morgen auf den Herkules achtgeben sollen, wenn Sie den Tempel betreten.«
    »Herkules?« Velie blinzelte. »Tempel?«
    »Die heiligen Hallen mit dem Elfenbeinturm. Oder sollte ich besser sagen, die hohlen Hallen, in denen die Ignoranz regiert? Herkules steht am Eingang, seine große Schaufel voll mit dem, was aus den Ställen kommt, und jene, die womöglich so etwas wie Bedeutung in der Tasche haben, kriegen eine Ladung von, Sie wissen schon, ins Gesicht.«
    Velie leckte sich die Lippen und machte eine kleine Handbewegung, so als wollte er mich unterbrechen. Dann holte er zu einer größeren Geste aus: Ich solle verschwinden, um Gottes willen. Einfach raus. Wer zum Henker braucht schon einen neunmalklugen Nigger?
    Das Schicksal des Niggers ist das Klo.
    »Entschuldigen Sie bitte, Sir«, sagte ich, »ich hätte noch eine letzte Frage …«
    »Raus damit. Nur raus damit, Allen«, meinte Velie.
    »Sind Sie sicher, ist das wirklich in Ordnung?«
    »Ja. Ja.«
    »Was ich Sie fragen wollte, war, ob ich Ihnen sagen könnte, dass Sie sich ins Knie ficken sollen?«
    Er sah mich ruhig an, und langsam wurde er rot. Nach einer Weile nickte er.
    »Ich werde Ihnen das dieses eine Mal durchgehen lassen.«
    »Ficken Sie sich ins Knie, Sir«, verkündete ich.

10.
    Liz und Steve Hadley hatten an jenem Tag in der letzten Stunde ebenfalls eine Freistunde, und wir gingen gemeinsam zu ihrem Wagen. Sie hatten von meiner Suspendierung gehört, nicht von Josie Blair, sondern durch Eggers Prahlerei. Sie waren voller Mitleid für mich. Doch inwendig sorgten sie sich um sich selbst.
    Meine Mutter würde doch sicher wütend auf mich sein, oder?
    Sie würde mir doch bestimmt für eine ganze Weile nicht erlauben, Gäste einzuladen – oder?
    O doch, antwortete ich; Mutter sei sehr verständnisvoll, was mich anginge. Und sie würde sich mir niemals in den Weg stellen, wenn ich etwas tun wolle.
    »Ich hoffe nur, es ist in Ordnung, wenn sie eure Eltern telefonisch einlädt«, fuhr ich fort. »Sie ist so beschäftigt, dass eine schriftliche Einladung einfach zu viel Mühe für sie wäre.«
    Aber natürlich, meinten sie, eine mündliche Einladung würde vollkommen ausreichen. Nur ein kurzer Anruf bei Dr. S. J. Hadley – bei ihm , nicht bei ihrer Mutter (die niemals irgendwo hinginge).
    »Bestens«, sagte ich. »Ich werde mich darum kümmern.« Und um euch hochnäsiges Pack!
    Liz drückte sich an mich, und eine ihrer sorgsam manikürten Hände lag auf meinem Oberschenkel. Während Steve diplomatisch in eine andere Richtung sah, knabberte ich ein wenig an ihrem Ohr, und sie kicherte und drängte sich enger