Blind vor Wut
eigentümlich. Ein Duft, bestehend aus dem fischigen Geruch ungewaschener Fortpflanzungsorgane, aus Urin und Kot – und noch etwas anderem.
Es war stockdunkel, und aus der Finsternis funkelte mich ein Kreis von Augen an. Ich sprach zu Ihnen wie mit Sklaven, sie grüßten mich und nannten mich Gott, Krishna und Meister.
»Ich habe euch Brot gebracht«, sagte ich. »Jetzt ist keine Zeit zum Spritzensetzen, jetzt wird gespeist.«
»Ja, Meister, dein Wille geschehe«, skandierten sie. »Ja, Krishna!«
Ich tastete mich mit ausgestreckter Hand im Kreis umher, spürte, wie mir das heilige, hirnknallende Brot abgenommen wurde. Dann sah ich die glühenden Augen aufleuchten, als würde ein Feuer neu entfacht. Ein Mädchen (ich konnte ihre nackten Brüste spüren) versuchte, mir die Hand in Verehrung zu küssen. Ich entzog sie ihr, die Zeit war zu kurz.
»Sind die heiligen Besenstiele bereit?«, fragte ich. »Auf eine praktikable, aber großzügige Länge gestutzt, wie ich befohlen habe?«
»Ja, Gott«, skandierten sie zur Antwort. »Deinem Willen haben wir gehorcht.«
»Und ist das heilige Wachs bereit?«
»Ja, Meister. So ist es, o Herr.«
»Dann werden wir nun die Augen schließen«, intonierte ich, »und in völliger Stille beten. Der erste Akolyth ist auf dem Weg.«
18.
Steve und Lizbeth waren mir auf den Gängen und in den Klassenzimmern aus dem Weg gegangen. Genauer gesagt, sie hatten ihr Bestes versucht, mich zu ignorieren. Ich beließ es eine Weile dabei, lang genug, damit sie sich ein wenig von der Scham erholen konnten, die wohl an ihnen nagte. Dann setzte ich mich eines Tages zu Mittag in der Cafeteria an ihren Tisch.
»Also, was soll das?«, fragte ich. »Ich dachte, wir wären Freunde, aber ihr behandelt mich wie jemand von der buckligen Verwandtschaft.«
Lizbeth schnaufte. Steve sah mich kühl an.
»Wir haben zu viel getrunken, Al, das weißt du. Ein Freund hätte versucht, sich um uns zu kümmern, statt uns auch noch zu ermutigen, Dinge zu tun, die gegen unsere Natur sind.«
» Gegen eure Natur?«, fragte ich. »Meine Güte, ich kann nicht glauben, dass ihr so naiv seid! Ich habe euch für intelligent gehalten, und das tue ich immer noch.«
»Ähm …« Lizbeth fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. »Was meinst du damit, Allen?«
»Was ich damit meine?« Ich zuckte mit den Schultern. »Das tun doch alle Brüder und Schwestern. Ich bin ein wenig herumgekommen, und glaubt mir, ich weiß es. Warum auch nicht? Sie haben gewisse Bedürfnisse, die befriedigt werden müssen, selbst wenn sie miteinander verwandt sind.«
»Na ja …« Sie hob ein wenig die Schultern. »Das ist wohl wahr, nehme ich an, aber …«
»Hört mal«, unterbrach ich sie. »Ein paar dieser prüden Vorstellungen, die wir heutzutage haben, sind einfach albern. Irgend so ein Krempel, den sich religiöse Scharlatane ausgedacht haben. Selbst im alten Ägypten, wo die Menschen nun wahrhaft zivilisiert waren, haben die Pharaonen ihre Schwestern geheiratet . Das war so vorgeschrieben.«
Steve und Lizbeth warfen sich einen Blick zu. Lizbeth murmelte, wie froh sie sei, dass es zumindest noch jemand Kultivierten an der Schule gäbe.
»Alles Scheinheilige«, sagte ich leichthin. »Die haben einfach nicht den Mut, zu ihrer Überzeugung zu stehen, wie ihr beiden das tut.«
»Danke, Mann.« Steve lächelte mich warmherzig an. »Nett von dir, so etwas zu sagen.«
»Ist doch die Wahrheit«, entgegnete ich. »Warum sollte ich sie nicht sagen?«
»Diese kleine Null, Josie Blair«, zischte Lizbeth giftig. »Sie und ihre ach so heilige Haltung! Das werde ich ihr nie verzeihen, wie sie sich da benommen hat.«
»Noch so eine Scheinheilige«, meinte ich. »Ihr müsst nur mal ab und zu hinschauen, wenn sie in Velies Nähe ist, dann werdet ihr schon sehen, was ich meine.«
»Allen!« Sie schnappte erfreut nach Luft. »Bist du dir ganz sicher?«
»Halt die Augen offen, und urteile selbst«, antwortete ich.
»Das hätte ich mir denken können«, erklärte Lizbeth. »Das eine sagen und genau das Gegenteil tun!«
»Gott sei Dank sind wir nicht so«, meinte Steve ganz heuchlerisch. »Wir mögen ja unsere Fehler haben, aber wenigstens sind wir nicht scheinheilig.«
»Das mag ich an euch ja so«, erklärte ich. »Leute wie wir müssen zusammenhalten.«
»Richtig! Stimmt doch, oder, Liz?«
»Ja«, meinte sie; dann schwieg sie einen Augenblick und dachte nach.
»Ähm, hör mal, Allen. Ich glaube nicht, dass es so gut wäre, wenn wir
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