Blind vor Wut
anzüglich, »aber ich hab auch ein paar wirklich nette Uteri im Angebot.«
»Uteri?«, fragte ich.
»Ist ’ne Pluralform, verdammt! Was zum Henker bist du, ein Buchverleger oder so was?«
Er sah mich wütend an und erklärte, ich wolle es ihm wohl absichtlich schwer machen. »Hab ich’s nicht eh schon schwer genug? Ach verdammt, selbst Ärsche kann ich nicht mehr losschlagen. Und Bauchnäbel! Zum Teufel, wenn du einen Bauchnabel auch nur erwähnst, lachen sie dich aus! Die interessieren sich nur noch für, na du weißt schon.«
Er verschluckte einen Schluchzer und nahm noch einen ausgiebigen Zug vom kostenlosen Alkohol. Dann ließ er sich mürrisch zu der Bemerkung herab, er habe früher mit anderem gehandelt.
»Verstand, Gesichter, Lächeln, Gedanken. Schönheit und Tiefgang, falls es da einen Unterschied gibt. Aus dem Wenigen, das ich hatte, machte ich das Viele, das ich nicht hatte, und brachte der Welt den einzigen Reichtum, der nicht von anderem Reichtum zehrt. Dann legte ich es in meinen braungelben Korb, setzte mein rotes Käppchen auf und trug es in den Wald zu Großmutters Haus. Und wenn sie genügend Gibsons zum Mittagessen getrunken hatte und bei guter Laune war, belohnte sie mich mit einem Penny. Allerdings wohnte da gleich nebenan ein großer, lockiger Wolf, ein chamäleonhaftes Biest, das viele Verkleidungen annahm und dessen Stärke darin bestand, mir an den Eiern zu knabbern. Für eine Weile konnte ich ihn mit Bröckchen aus meinem Korb hinhalten, aber die Verschnaufpause, die ich mir so erkaufte, langte nie. Er war nicht zufrieden mit dem Tiefsinnigen und Schönen – wenn es denn einen Unterschied zwischen beidem gibt. Als er schließlich meine beiden Hoden weggeknabbert hatte und mein Skrotum nur noch aus ein paar Fetzen Haut bestand, gab ich ihm, was er verlangte. Da fällt mir ein, ich muss dir eine Kostprobe mitgeben. Das Zeug heißt Schrecklich heißer Idioten-Triezer, doch die meisten nennen es nach den Anfangsbuchstaben.«
»Ach, lassen Sie nur«, meinte ich ein wenig nervös. »Ich glaub, da kommt mein Vater.«
»Aber es ist ein Geschenk«, beharrte er. »Du wirst es brauchen! Ich bestehe darauf, dir eine Probe mitzugeben!«
Tatsächlich tauchte in diesem Augenblick Papa auf, und der Kerl meinte, er würde auch ihm eine Probe schenken. Eine ordentliche Tüte voll, da es sich bei Papa ja offenbar um eine Person handle, die eine ordentliche Menge davon brauchen könne. Natürlich schmissen sie den Kerl achtkantig raus, und ich sah ihn nie wieder. Aber ich werde niemals den Ausdruck in seinen Augen vergessen, als in jener Nacht für ihn die Allegorie zur Realität wurde. (Aber vielleicht war es ja gar keine Allegorie?) Ein Blick von derart wild entschlossenem Flehen, dass ich beinahe an die Existenz der versprochenen Probe geglaubt hätte.
Denselben Blick warf mir nun Itzop Kozalski zu.
»Also«, murmelte ich, »ich, ähm, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, It.« Das entsprach der Wahrheit. Was sollte man auch sagen, wenn einem der einzige Freund eine Tüte Hundescheiße schenkt? »Ich, ähm, vielen herzlichen Dank. Genau das, was ich brauche.«
»Das haben wir uns gedacht«, sagte Itzop und lächelte schüchtern. »Das kann man bei vielen Streichen gebrauchen, weißt du, in der einen oder anderen Form.«
»Ich denke auch«, sagte ich und nickte. »Ich kann dir gar nicht genug danken, It.«
»Und es gefällt dir wirklich? Ungelogen, Herbie?«
»Aber ja«, betonte ich und legte so viel Enthusiasmus in meine Stimme, wie ich nur konnte. »Genau was mir fehlte. Also …«
»Das ist ja wunderbar! Ich bring dir dann jeden Tag was mit.«
Schnell erwiderte ich, dass er das nicht tun solle; das könne ich nicht annehmen. Aber wie die Menschen bei solchen Gelegenheiten nun mal sind, überging er meinen Protest einfach.
»Also abgemacht, Herbie, kein Wort mehr. Du kriegst jeden Tag einen großen, fetten Sack voll.«
»Aber, ähm, aber das ist nicht recht«, wehrte ich schwach ab. »Ich mein, so viel …«
»Abgemacht«, wiederholte Itzop mit fester Stimme, »und mach dir keine Gedanken. Wo das herkommt, gibt es noch viel mehr.«
Ich blieb an jenem Tag zu Hause, um sicherzugehen, dass Carol ihr Zimmer nicht verließ. Wieder beharrte ich darauf, dass sie auf meine Gesellschaft verzichten müsse, auch solche ruhestörenden Ablenkungen wie Lesen und Radiohören waren untersagt. Sie sollte nur still daliegen – darum ging es. Sie brauchte Ruhe und Frieden, und ich sorgte dafür,
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