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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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griff sich Jude vorn an ihrer Bluse eine Handvoll Seidenstoff und schob sie durch die Tür zurück ins Haus.
    Jessica taumelte auf ihren hohen Hacken zurück, knickte um und rutschte aus einem Schuh heraus. Sie ließ das unmögliche Täschchen los, das neben ihr auf den Boden fiel. Jude stieß es mit dem Fuß zur Seite und ging weiter.
    Er schob sie in eine sonnendurchflutete Küche, die sich im hinteren Teil des Hauses befand. Als sie dort angelangt waren, gaben Jessicas Beine nach. Während sie in die Knie ging, zerriss die Bluse, wobei einer der abplatzenden Knöpfe Jude ins linke Auge traf. Das schmerzende Auge füllte sich mit Wasser, und Jude blinzelte heftig, um wieder klar sehen zu können.
    Jessica prallte hart gegen die Kücheninsel in der Mittedes Raumes. Teller klapperten. Sie hielt sich mit einer Hand an der Kante fest, griff mit der anderen Hand – ihr Gesicht war immer noch Jude zugewandt – hinter sich auf die Küchentheke, bekam einen schmutzigen Teller zu fassen und schlug ihn Jude auf den Kopf.
    Scherben, Toastkrusten und Eierreste flogen durch die Gegend. Jude spürte nichts davon. Er ließ das Montiereisen durch die rechte Hand nach unten rutschen, packte das obere Ende, schwang es wie einen Knüppel und schlug ihr damit unterhalb des Rocksaums auf die linke Kniescheibe.
    Sie fiel um, als hätte man beide Beine unter ihr weggerissen. Als sie ihren Oberkörper aufrichten wollte, sprang Angus ihr auf die Brust und drückte sie mit den Pfoten wieder nach unten.
    »Weg da, runter«, rief Marybeth, packte Angus am Halsband und riss so heftig daran, dass er auf den Rücken fiel und dann einen dieser leicht lächerlich aussehenden Hundesaltos vollführte, bei denen die Beine kurz in der Luft strampelten, bevor er sich herumrollen konnte und wieder auf allen vieren stand.
    Angus machte sofort wieder einen Satz in Richtung Jessica, aber Marybeth hielt ihn fest. Bon kam in die Küche getrottet, warf Jessica Price einen nervösen, schuldbewussten Blick zu, tapste über die Scherben des Tellers und verdrückte eine Toastkruste.
    Die leiernde Stimme aus dem kleinen rosa Kofferradio, das auf der Küchentheke stand, sagte: »Buchclubs für Kinder sind der große Hit bei Eltern, die beim geschriebenen Wort Zuflucht suchen vor Videospielen, Fernsehprogrammen und Filmen, die von unerwünschten sexuellen Inhalten und Gewaltdarstellungen überquellen.«
    Jessicas Bluse war bis zur Taille aufgerissen. Sie trug einen pfirsichfarbenen Spitzen-BH, der die Oberseite ihrer Brüste, die sich bei jedem Atemzug zitternd aufund ab bewegten, frei ließ. Sie entblößte ihre Zähne, die blutbefleckt waren. Grinste sie etwa?
    »Wenn Sie mich umbringen wollen, sollten Sie eins wissen«, sagte sie. »Ich habe keine Angst vor dem Sterben. Auf der anderen Seite empfängt mich mein Vater mit offenen Armen.«
    »Klar, da sind Sie sicher schon ganz scharf drauf«, sagte Jude. »So wie ich das sehe, standen Sie beide sich ja ziemlich nah. Zumindest bis Anna alt genug war. Dann hat er nämlich nicht mehr Sie, sondern Anna gefickt.«
    37
    Eines von Jessica McDermotts Augenlidern zuckte unregelmäßig. Ein Schweißtropfen hing in ihren Wimpern und würde jeden Augenblick herunterfallen. Ihre in die Breite gezogenen Lippen, deren dunkles Rot an die Farbe von Schwarzkirschen erinnerte, entblößten immer noch die Zähne. Aber sie grinste nicht mehr. Ihr Mund war verzerrt vor Zorn und Verwirrung.
    »Wer sind Sie denn schon, dass Sie so über ihn sprechen dürften? Er hat sich schon Dreck von den Stiefeln gekratzt, der war ekliger als Sie.«
    »Da ist sogar was dran«, sagte Jude. Auch er atmete schnell, war aber selbst ein bisschen überrascht, dass seine Stimme so gelassen klang. »Als Sie beide angefangen haben, auf mir rumzutrampeln, da sind Sie in einen ziemlich großen Haufen getreten. Sagen Sie mir eins. Haben Sie Ihrem Vater geholfen, Anna umzubringen, damit sie nicht ausplaudern kann, was er ihr angetan hat? Haben Sie neben der Wanne gesessen und zugeschaut, wie Ihre eigene Schwester verblutet ist?«
    »Das Mädchen, das damals in dieses Haus zurückgekehrt ist, war nicht meine Schwester. Es hatte nicht mehr die geringste Ähnlichkeit mit ihr. Meine Schwester war schon tot, nachdem Sie mit ihr fertig waren. Sie haben sie zugrunde gerichtet. Die Anna, die zu uns zurückgekehrt ist, war bis ins Innerste vergiftet. Die Sachen, die sie gesagt hat. Die Drohungen, die sie ausgestoßen hat. Dass sie unseren Daddy ins Gefängnis bringt.

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