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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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habe mir den Magen verdorben. Das ist alles.«
    Als Danny die rechte Hand aus dem Schoß hob, umsich das Gesicht abzuwischen, sah Jude, dass Danny einen Brieföffner umklammerte.
    »Lüg mich nicht an, Danny«, sagte Jude. »Ich will nur wissen, was du gesehen hast.«
    »Seine Augen waren schwarze Flecken. Er hat mich direkt angeschaut. Ich wollte, er hätte mich nicht so angeschaut.«
    »Er kann dir nichts anhaben, Danny.«
    »Das kann man nie wissen.«
    Jude griff durch das offene Fenster und drückte Dannys Schulter. Danny wich zurück. Gleichzeitig stach er mit dem Brieföffner in Judes Richtung. Er kam Jude nicht so nahe, dass er ihn hätte verletzen können, aber Jude zog seine Hand trotzdem zurück.
    »Danny?«
    »Deine Augen sind genau wie seine«, sagte Danny und legte abrupt den Rückwärtsgang ein.
    Jude machte einen Satz nach hinten, bevor Danny ihm über den Fuß fahren konnte, aber der trat sofort wieder auf die Bremse.
    »Ich komme nicht wieder«, sagte er geradeaus zum Lenkrad.
    »Okay.«
    »Ich würde dir helfen, wenn ich könnte, aber ich kann nicht. Ich kann einfach nicht.«
    »Verstehe.«
    Die Kiesel knirschten unter den Reifen, als Danny den Wagen langsam zurücksetzte. Dann wendete er und rollte langsam den Hügel hinunter zur Straße. Jude schaute Danny hinterher, bis er durch das Tor gefahren, links abgebogen und aus seinem Blickfeld verschwunden war. Er sah ihn nie wieder.
    14
    Jude machte sich auf den Weg zur Scheune, zu den Hunden.
    Er war dankbar für die Luft, die ihm ins Gesicht schnitt, dafür, dass ihm jeder brennende Atemzug wie ein Messer in die Lunge fuhr. Das war wirklich. Seit er heute Morgen den toten Mann gesehen hatte, fühlte er sich zunehmend von abnormalen schlimmen Gedanken verfolgt, die in sein Alltagsleben einsickerten, wo sie nichts zu suchen hatten. Er brauchte ein paar harte Tatsachen, an denen er sich festhalten konnte, Klammern, die die Blutung stoppten.
    Die Hunde beobachteten mit traurigen Augen, wie er den Türriegel ihres Zwingers zurückschob. Bevor sie an ihm vorbeischlüpfen konnten, drückte er sich hinein, ging in die Hocke und ließ sich von ihnen anspringen und das Gesicht beschnüffeln. Die Hunde: Auch sie waren wirklich. Er erwiderte ihre Blicke, schaute in ihre schokoladenbraunen Augen und besorgten langen Gesichter.
    »Wenn mal mit mir was nicht stimmt, ihr kümmert euch um mich, oder?«, sagte er zu ihnen. »Wenn zum Beispiel meine Augen nur noch schwarze Flecken wären?«
    Angus leckte ihm übers Gesicht, einmal, zweimal, und Jude küsste ihn auf die nasse Nase. Er strich Bon über den Rücken, während sie begierig zwischen seinen Beinen herumschnüffelte.
    Er schlüpfte wieder aus dem Zwinger. Er war noch nicht wieder so weit, um ins Haus zurückgehen zu können,und ging stattdessen in die Scheune. Er schlenderte zum Wagen und warf im Außenspiegel an der Fahrertür einen Blick auf sein Gesicht. Keine schwarzen Flecken. Seine Augen waren wie immer: blassgrau unter buschigen schwarzen Brauen, und stechend, als wäre er auf Mord aus.
    Der Wagen, ein 65er Mustang GT Fastback, war in einem jämmerlichen Zustand gewesen, als er ihn einem Roadie abgekauft hatte. Kurz nachdem seine Frau ihn verlassen hatte, war er auf Tournee gegangen und hatte fast ohne Pause zehn Monate lang auf der Bühne gestanden. Als er zurückkam, saß er in einem leeren Haus und wusste nicht, was er mit sich anfangen sollte. Den ganzen Juli und fast den ganzen August verbrachte er in der Scheune und weidete den Mustang aus. Verrostete, durchgebrannte, zerlöcherte, verbeulte, zerfressene, öl- und säureverkrustete Teile baute er aus und ersetzte sie durch neue: HiPo-Motor, Kurbelwellen, Zylinderköpfe, Getriebe, Kupplung, Stoßdämpfer, weiße Sportsitze – alles Originalteile, bis auf die Lautsprecher und die Stereoanlage. Im Kofferraum installierte er einen Bazooka-Bass, aufs Dach montierte er eine Antenne für XM-Satellitenradio, und das Wageninnere stattete er mit einem digitalen Soundsystem aus, das auf dem neuesten Stand der Technik war. Er saute sich mit Öl ein und wetzte sich die Knöchel auf, bis das Blut ins Getriebe tropfte. Eine rüde Art der Liebeswerbung, eine, die gut zu ihm passte.
    Etwa um diese Zeit war Anna zu ihm gezogen. Nicht dass er sie jemals so genannt hätte. Damals hieß sie Florida für ihn, auch wenn er jetzt, nachdem er von ihrem Selbstmord erfahren hatte, an sie wieder als Anna dachte.
    Während er arbeitete, saß sie mit den Hunden auf dem

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