Blinde Angst
wird sich das FBI einschalten. Dann kann ich nichts mehr tun. Das FBI wird mich bestimmt nicht in ihre Nähe lassen.«
»Mag sein«, sagte der Inspektor und nickte. »Aber Sie haben mit Helmut Dantzler gesprochen?«
»Ja, und er hat das auch nicht vorhergesehen. Er hätte mich nie hergeschickt, wenn er gewusst hätte, dass die Frau so schnell identifiziert werden könnte.«
»Nehmen Sie's mir nicht übel, Miss Moore, aber ich bin überrascht, dass er Sie überhaupt hergeschickt hat. Helmut Dantzler kommt mir gar nicht so vor, als hätte er etwas für das Übernatürliche übrig.«
»Vielleicht ist Helmut Dantzler ein komplexerer Mensch, als Sie denken«, erwiderte Sherry.
»Aber Sie sollen noch komplexer sein, habe ich gehört.«
Sherry schüttelte den Kopf und lächelte. »Ich weiß nicht, was Sie gehört haben, Inspektor, aber ich werde gern eventuelle Missverständnisse aufklären. Was ich mache, ist sehr einfach. Ich versuche zu sehen, was jemand in den letzten Sekunden vor seinem Tod gedacht hat. Manchmal gelingt mir das, manchmal nicht. Ehrlich gesagt, habe ich Mr. Dantzler gesagt, dass ich in diesem Fall keine großen Hoffnungen habe, da jemand, der in den Tod stürzt, kaum irgendwelche geordneten Erinnerungen hat. Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, aber man sollte nicht allzu viel erwarten. Ich weiß auch nicht, in welcher geistigen und seelischen Verfassung sie war, als sie aus dem Flugzeug stürzte, aber man muss annehmen, dass sie große Angst hatte.«
Es war kühl in den Gängen des Krankenhauses. Rolly King George führte sie zu einem Aufzug, mit dem sie nach unten fuhren. Sie durchquerten einen kompletten Flügel, bis sie zu einer Tür kamen. »Das ist ein privater Warteraum, eine Kapelle für Angehörige«, erklärte er.
Er bat sie, hier auf Carol Bishop zu warten, die er ihnen vorstellen wollte.
Brigham ging unablässig im Kreis, bis Sherry ihn aufforderte, damit aufzuhören. Zwanzig Minuten später öffnete der Inspektor eine versperrte Tür.
»Mrs. Bishop hat die Tote identifiziert, Miss Moore. Es ist wirklich ihre Tochter«, sagte er ernst. »Es tut mir leid, dass Sie die weite Reise umsonst gemacht haben.«
Sherry schwieg.
Brigham stand auf. »Nun, Sie werden gleich ziemlich viel zu tun bekommen, Inspektor George. Wir finden allein hinaus.«
Der Inspektor zögerte einen Moment. »Ich habe Mrs. Bishop gesagt, dass Sie im Krankenhaus sind, Miss Moore. Sie hat gefragt, warum. Ich habe es ihr erklärt, so gut ich konnte. Sie hat mich gefragt, ob Sie vielleicht noch ein paar Minuten bleiben könnten, damit sie kurz mit Ihnen sprechen kann.«
Sherry wusste nicht, was sie sagen sollte, aber sie spürte, dass Brigham sie missbilligend ansah.
Der Inspektor, der die Tür immer noch einen Spalt offen hielt, wandte sich an Brigham und hob einen Finger. »Bitte, bleiben Sie noch. Nur einen Moment.«
»Wir warten hier«, sagte sie und wandte sich Brigham zu. »Gehen Sie nur und kümmern Sie sich um Mrs. Bishop, Inspektor.«
Die Tür ging zu, und Brigham wandte sich ihr zu. »Ich gebe ihm fünfzehn Minuten, dann bringe ich dich hier raus. Diese ganze Sache wird sehr schnell zu einem Riesenmedienzirkus werden, das weißt du genau.«
Eine Viertelstunde später ging Brigham immer noch im Wartezimmer auf und ab, als sie plötzlich Schritte hörten und die Tür aufging.
»Miss Moore, Mr. Brigham, das ist Carol Bishop«, verkündete der Inspektor, führte eine Frau ins Zimmer herein und schloss die Tür hinter ihr. Der Inspektor trat zurück, während die anderen einander die Hände schüttelten.
»Bitte, setzen Sie sich«, sagte Carol Bishop zu Sherry. Brigham setzte sich zusammen mit dem Inspektor in die Ecke, damit die beiden Frauen nebeneinandersitzen konnten.
Carol legte die Hände auf ihre Knie. »Ich weiß nicht recht, wo ich anfangen soll«, sagte sie leise. Brigham sah, dass ihre Augen geschwollen waren. Ihre Hände zitterten, die Fingernägel gruben sich in die Haut unter dem Saum ihrer Shorts.
»Ich habe zwei Töchter«, begann sie schließlich.
Sherry fiel auf, dass sie in der Gegenwart sprach.
»Theresa, meine Ältere, studiert Jura an der University of Michigan, und sie hat gerade jetzt sehr viel zu tun. Ich weiß, dass Theresa ihre Schwester vermisst, aber die beiden waren immer sehr verschieden. Theresa ist so nüchtern und ernsthaft, und Jill so idealistisch. Sie hat die Kunst und die Musik so geliebt – Bob und ich haben uns Sorgen gemacht, dass sie die Schule abbrechen
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