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Blinde Angst

Titel: Blinde Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George D Shuman
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riechen Sie den Gummi? Der Rauch ist schwarz. Und ein paar Männer jagen einen Hund mit einem Stock.«
    Es dauerte vier Stunden, bis sie die Stadt Port-à-Piment erreichten. Sie kamen an Sumpfland vorbei, wo es nach Methangas roch, an sanften braunen Hügeln, die aussahen wie das Ödland im amerikanischen Mittelwesten. Da waren baumlose Ebenen und stehende grüne Tümpel mit Schwärmen von Moskitos.
    Die Türen der Häuser in Port-à-Piment waren teilweise gesplittert von Hämmern und Stiefeln – den Spuren vergangener Polizeirazzien –, und die bröckelnden Wände waren voller Einschusslöcher. Der Gestank von Abfällen im Rinnstein war allgegenwärtig. Die Siedlungen auf der Südhalbinsel waren in jüngster Vergangenheit zweimal überflutet worden – von den Hurricanes Noel und Dean; die Abwässer flossen offen dahin, und die Brunnen waren höchstwahrscheinlich vergiftet.
    Carol Bishop saß neben Sherry und fragte sich, ob Jill auf dieser Straße gewesen war. Es war durchaus wahrscheinlich, dachte sie, denn es gab nur zwei Hauptstraßen, die die Insel durchzogen – eine in den Norden und eine in den Süden und Westen.
    Sie erinnerte sich an Jill; wie sie als kleines Mädchen auf ihrem Schoß gesessen hatte; wie sie, schon etwas größer und mit Zöpfen, auf der Schaukel saß; dann bei einem Besuch in Disney World; und schließlich beim Begräbnis ihrer Großmutter.
    Draußen sah sie ein lächelndes Mädchen in einem schmutzigen Kleid mit einem Hula-Hoop-Reifen spielen und zwei Jungen, die mit Stöcken auf das Dach eines Autos schlugen, das im Schlamm steckte. Andere standen nur da und starrten auf die Straße, vor allem auf die weißen Frauen, die in dem Jeep vorüberfuhren.
    In Port-à-Piment gab es jede Menge baufällige Kirchen und dementsprechend viele Missionare. Alte Männer standen in Hauseingängen und sprachen mit alten Frauen mit feuchten Augen. Überall standen Zelte, Schilder und Kreuze. Alle Religionen dieser Welt schienen es darauf abgesehen zu haben, die verarmte Bevölkerung für sich zu gewinnen, und tatsächlich wurden viele Haitianer für einen Tag zu Katholiken, Baptisten oder Mormonen. Sie holten sich ihre Süßigkeiten, Hotdogs oder Marshmallows, manchmal auch Kleider aus einer Sammlung von irgendwo auf der Welt. Doch wenn die Sonne unterging, kehrten sie wieder zum Voodoo-Glauben zurück. Voodoo war das einzig Beständige in ihrem Leben. Nur Voodoo hatte sie nie kritisiert, unterjocht oder im Stich gelassen.
    »Unglaublich«, sagte Carol Bishop.
    »Haiti?«, fragte Sherry Moore.
    »Es ist so traurig.«
    »Wir werden in Port-à-Piment tanken – wenn Sie vielleicht auf die Toilette müssen«, sagte der Oberst.
    Die Straßen waren ruhig unter dem Dreiviertelmond, die Bäume welk von der sengenden Nachmittagssonne. Sie fuhren zwischen blauen und gelben Häusern hindurch, beobachtet von großen Augen hinter kleinen Händen, die sich an Balkongeländern im zweiten Stock festhielten. Streunende Hunde streiften durch die nunmehr verlassenen Straßen. Ein Geruch nach Meer und Fisch erfüllte die Luft.
    Sie hielten an einer alten Texaco-Tankstelle und sahen einen Militärlastwagen auf einer Seite stehen. Auf der Ladefläche drängten sich schwarz gekleidete Männer mit finsteren Gesichtern.
    Das letzte Stück der Straße nach Tiburon führte an der zerklüfteten Küste entlang. Nördlich von ihnen erhob sich die Felswand des Morne Mansinte, im Süden erstreckte sich die glasige schwarze Meeresoberfläche. Es gab keinen Verkehr mehr auf der Straße, doch Carol Bishop blickte immer wieder über die Schulter zurück. Der Lastwagen voller Männer beunruhigte sie. Es waren keine Polizisten, das wusste sie. Täuschte sie sich oder hatte der Oberst wirklich einem von ihnen zugenickt, als er den Jeep auftankte?
    Eine Stunde später waren sie da. Vor ihnen lag der atemberaubende Hafen unter dem Sternenhimmel, der sich vom Berg bis zum Meer spannte. Carol beschrieb das Schimmern des Mondlichts auf dem Wasser, die Masten der kleinen hölzernen Schiffe, die sanft in der Brandung schaukelten. Das Dorf mit seinen klapprigen strohgedeckten Hütten war dunkel. Am Wasser, wo ein paar Männer mit Speerfischen beschäftigt waren, flackerte das Licht von Fackeln.
    Der Jeep fuhr in das Dorf hinein, und seine Scheinwerfer zerrissen die friedliche Stimmung. Der Oberst hielt am Ende einer Straße, sprang aus dem Fahrzeug und begann an Türen zu hämmern. Hinter den Vorhängen wurden Kerzen angezündet. Hier und dort

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