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Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Probst
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den Namen per Funk durch und wartete. Sein jüngerer Kollege hatte endlich das Handy gefunden, putzte es an seiner Hose ab und brachte es.
    »Willibaldstraße 133, stimmt das?«, fragte der ältere mit dem rauschenden Funkgerät am Ohr.
    Schwarz reagierte nicht.
    »24.   3.   85? Moment, das kann nicht sein.«
    Schwarz grinste. »Ich wollte nur sehen, wie fit ihr seid. Anton Schwarz heiße ich.« Er hielt dem nach Luft schnappenden Polizisten seinen Ausweis hin.
    Die Überprüfung dauerte keine Minute. »Der Schwarz war mal einer von uns«, kam es aus dem Funkgerät, »Ettstraße, K11.«
    »Interessiert mich einen Scheißdreck«, behauptete der ältere Polizist und musterte Schwarz mit zusammengekniffenen Augen.
    »Schleich dich«, sagte er schließlich.

31.
    Diese Ermittlungen kommen mir langsam wie Cindys Matrjoschkas vor, dachte Schwarz, als er endlich auf seinem Bett lag. Kaum hat man eine aufgekriegt, grinst einen die nächste verschlossen an. Ich habe einen Auftrag gehabt. Ich sollte Beweise liefern, dass Tim Burger aus Judenhass getötet hat. Basta. Ich habe Loewi interessante Indizien gebracht, keine, die vor Gericht Bestand hätten, aber immerhin.
    Plötzlich geht es darum, wie gefährlich Burger heute ist und ob er zu einer Kameradschaft gehört und ob der Anschlag auf die Familie Celik vielleicht etwas mit der Amokfahrt zu tun hat und ob ein ehemaliger Zellengenosse von ihm vielleicht gar nicht aussteigen will und in München oder sogar bundesweit gerade ein Neonazi-Netzwerk entsteht.
    Scheiße, wieso tu ich mir das an? Dieser Fall ist zu groß für einen einzelnen Ermittler. Dafür bräuchte ich ein Team, einen richtigen Apparat.
    Ich werde kündigen, dachte Schwarz, der über seinen Gedanken immer grantiger geworden war. Ich gebe ihm das Geld zurück. Alles. Das ist nicht meine Geschichte. Ich bin
keiner von ihnen
.
    Der Gedanke beruhigte ihn.
    Die Augen waren ihm gerade zugefallen, als das Telefon klingelte. Er griff blind zum Hörer. Zu seiner Überraschung hörte er Gesang. Eine raue Frauenstimme voller Kraft. Es war keine vertraute Melodie, sie klang irgendwie orientalisch. Er verstand einzelne Wörter, aber nicht den Sinn. Dann setzten Schlagwerk und eine Gitarre ein. Der Rhythmus wurde immer drängender, die Melodie immer melancholischer. Schwarz konnte sich der Musik nicht entziehen.
    Majn got, majn her, majn baschafer, lajter mich ojß in dajn schajn.
    »Tut mir leid, Herr Schwarz, dass ich Sie so spät störe.«
    Eva Hahn.
    »Verraten Sie mir, was das ist?«
    »Klesmer.«
    »Und der Text. Ist das Jiddisch?«
    »Genau.«
    »Ich verstehe leider kaum etwas.«
    »Ist ganz leicht:
Mein Gott, mein Herr, mein Schöpfer, läutere mich in deinem Licht

    »Spielen Sie mir das vor, weil ich ein armer Heide bin?«
    »Ach was. Ich dachte nur, ich muss Sie bei Laune halten, damit Sie uns nicht aussteigen.«
    »Haben Sie telepathische Fähigkeiten?«
    »Mein Onkel hat mir vom Einbruch in Ihre Wohnung erzählt.«
    »Hm.«
    »Sind Sie sehr beunruhigt?«
    »Ich war schon mal ruhiger.«
    »Ich würde Ihnen gern was erzählen. Okay? Ich war nach dem Anschlag fast drei Monate in der Klinik und bin immer wieder operiert worden. Danach bin ich zur Reha nach Israel gegangen. Ich wollte weit weg von München zu mir kommen. Aber die zweite Intifada war noch nicht vorbei. Man hat mir eingeschärft, Lokale und öffentliche Plätze zu meiden und auf keinen Fall Bus zu fahren. Ich habe mich streng an alle Vorsichtsmaßnahmen gehalten, trotzdem ist meine Angst mit jedem Tag gewachsen. Ich war überzeugt davon, dass irgendwann neben mir eine Bombe hochgeht. Außerdem habe ich ständig nach Autos Ausschau gehalten, die auf mich zurasen. Hinter jedem jungen Palästinenser habe ich das Gesicht von Tim Burger gesehen. Seinen kalten Blick, seinen Wunsch zu töten. Ich habe es fast nicht mehr ausgehalten   …«
    »Und dann?«
    »Habe ich im Fernsehen gesehen, wie ein Kind erschossen wurde. Keiner wusste, ob durch palästinensische oder israelische Kugeln. Das war der Moment, in dem ich begriffen habe, dass man nicht davonlaufen darf.« Sie lachte rau. »Schon gar nicht, wenn man im Rollstuhl sitzt.«
    »Sie meinen, keiner entgeht seinem Schicksal?«, sagte Schwarz.
    »Genau das meine ich nicht«, widersprach Eva. »Man kann sich wehren. Man kann die Menschen, die einen hassen, obwohl man ihnen nichts getan hat, wenigstens dazu bringen, aus ihren Verstecken zu kommen und sich zu zeigen.«
    Sie war sehr heftig geworden, jetzt

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