Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Probst
Vom Netzwerk:
quoll aus der Wunde. Er betrachtete stumm die Markierung.
    Blut gerinnt auf dem Asphalt.
    Er schnitt entlang der Markierung ein Stück tiefer ins Fleisch. Das Blut färbte seinen Ballonfinger.
    Keine Schmerzen.
    Er konnte schneiden, ohne zu schreien, bis das scharfe Metall den Bettrahmen erreichte. Nicht mal zucken würde er. Er sah den Finger schon auf dem Boden liegen.
    Aber er schnitt nicht.
    Er hatte sich bewiesen, wie stark er war. Das genügte. Er war frei von Selbstmitleid und Angst. Er war kalt geblieben, eiskalt. Es wäre ein Leichtes gewesen, diesen lächerlichen kleinen Finger abzutrennen, aber er würde es bereuen. Die Wärter würden ihn auf die Krankenstation schleppen, der Anstaltsleiter plötzlich an seiner Sozialprognose zweifeln.
    Der Finger hätte ihn ein halbes Jahr gekostet. So lange wollte er nicht mehr warten. Auf seine Zeit.

30.
    Punkt acht traf Schwarz in der
Karibik
ein. Vor dem Autohaus stritt ein Kunde lautstark mit einem Verkäufer, der ihm angeblich ein Auto mit manipuliertem Kilometerzähler angedreht hatte. Schwarz sah, dass beide eher halbseidene Typen waren, und radelte, obwohl der Streit zu eskalieren drohte, an ihnen vorbei. Schließlich war er nicht als Streitschlichter, sondern als Wachmann engagiert.
    Da bemerkte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung hinter der trüben Scheibe des Lagerschuppens an den Bahngleisen.Er blieb stehen und schaute genauer hin. Tatsächlich. Zum ersten Mal, seit er den Dienst am Konsulat begonnen hatte, war da jemand. Die Kontrolle des Schuppens gehörte laut Arbeitsvertrag zu seinen Aufgaben.
    Er stellte sein Rad ab und schlich, um nicht gesehen zu werden, in einem großen Bogen auf den Schuppen zu. Als er nur noch wenige Meter entfernt war, vernahm er ein entsetzliches Röcheln.
    Er erstarrte.
    Dann hörte er eine lockende Frauenstimme. »Komm. Komm!«
    Schwarz, der damit sicher nicht gemeint war, schlug resolut mit der Faust gegen die Bretterwand. »Herrschaften, bittschön einpacken! Ihr befindet euch auf fremdem Hoheitsgebiet.«
    Im Schuppen wurde es schlagartig still.
    Ohne sich noch einmal umzudrehen, kehrte Schwarz zu seinem Rad zurück. Er war nicht gern Spielverderber.
    Während er die Überwachungskameras kontrollierte, dachte er daran, dass er bald sein fünfjähriges Jubiläum als Wachmann feiern konnte. Hoffentlich fiel das seinem Arbeitgeber nicht auf. Sonst wurde er womöglich mit einem Freiflug in die Karibik belohnt. Er wollte kein Land bereisen, das so arm war, dass sein Konsulat in der ehemaligen Verkaufsbaracke eines Autohändlers untergebracht war.
    Eigentlich wollte er überhaupt nicht in die Fremde. Urlaub bedeutete für ihn vierzehn Tage beim Franz im Niedernsiller Hof, Radfahren, herzhaft essen und lange schlafen. Da fiel ihm ein, dass er seit seinem von Monika erzwungenen Auszug nicht mal mehr im Pinzgau gewesen war. War Urlaub für ihn womöglich nie ein echtes Bedürfnis gewesen? War er nur Monika zuliebe verreist?
    Die Türen und Rollläden des Konsulats waren wie immerkorrekt gesichert. Er beschloss, im Fall der Fälle Luisa mit dem Freiflug in die Karibik zu bestechen. Sie würde bestimmt jubeln und ihn vielleicht wieder mehr lieben.
     
    Loewi wartete bereits am Wohnmobil und beantwortete geduldig Cindys Fragen.
    »Würden Sie echt jemanden verteidigen, von dem Sie wissen, dass er ein Monster ist?«
    »Ja, schon«, sagte er, »meine Aufgabe als Anwalt ist es, dafür zu sorgen, dass ein Angeklagter ein faires Verfahren bekommt und seine rechtlichen Möglichkeiten ausschöpft.«
    »Sie würden niemanden ablehnen?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Haben Sie in der Zeitung das Foto von dem Mädchen gesehen, das in dem Haus im Westend verbrannt ist? Einem Typen, der so was getan hat, dürfen Sie doch nicht helfen.«
    Loewi seufzte. »Das wäre in der Tat schwierig für mich.«
    »Erst mal muss man diesen Typen erwischen«, mischte Schwarz sich ein.
    »Ihr könnt gern reingehen«, sagte Cindy, »ich habe heute sowieso keinen Bock zu arbeiten.«
    Im Wohnmobil ließ Schwarz sich aufs Bett sinken und starrte geistesabwesend auf die bunten Matrjoschkas.
    »Sie sehen erschöpft aus.«
    »Bin ich auch, Herr Loewi.«
    Der Anwalt stand in gebückter Haltung vor ihm, das Wohnmobil war offenbar für kleinere Männer konzipiert.
    »Ich habe kein Problem, wenn Sie sich zu mir aufs Bett legen«, sagte Schwarz. »Es kann nur passieren, dass ich während meines Berichts einschlafe.«
    Loewi legte sich neben ihn und lauschte schweigend. Als

Weitere Kostenlose Bücher