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Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Probst
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Raum schweifen. Das Zentrum bildete ein Refektoriumstisch, an dem acht lederbezogene Stühle standen. Ein über Eck gehendes, ausladendes Sofa war mit zahlreichen bunten Kissen bedeckt. Darüber hingen Vergrößerungen alter Fotos. Schwarz fielen drei junge Leute auf, die glücklich lachten, zwei Männer und eine Frau. Sie standen an der Reling eines Dampfers. Die Männer trugen Knickerbocker, die Frau einen figurbetonten, mittellangen Rock. Alle drei hatten die Ärmel ihrer hellen Hemden hochgekrempelt, ihr Haar war vom Wind zerzaust. Daneben hing das Porträt eines Alten mit weißem Bart, der eine seltsame runde Pelzmütze trug.
    »Schatz, du siehst ja fertig aus!« Eine korpulente Frau mit dunklem Haar und braunen Augen betrachtete Loewi kopfschüttelnd. Sie küsste ihn und wandte sich Schwarz zu. »Er muss endlich mal Urlaub machen.«
    Schwarz stand auf und stellte sich vor.
    »Der Herr Schwarz«, sagte die Frau mit einem Unterton, der verriet, dass schon öfter die Rede von ihm gewesen war. »Ich bin Rebecca Loewi. Habt ihr schon gegessen?«
    »Wir kommen gerade aus dem Eliseo.«
    »Ihr Verräter! Warum habt ihr mich nicht mitgenommen?«
    »Wir hatten etwas zu besprechen.«
    »Etwas Wichtiges, nehme ich an. Aber für heute ist es vorbei mit der Arbeit, verstanden?«
    »Wir wollten uns gerade betrinken.«
    »Wunderbar. Ich mache Caipirovka.«
    Sie ließ keinen Zweifel daran, dass Widerstand zwecklos war, und begann in der offenen Küche die Wodka-Cocktails zu mixen.
    Ein etwa vierzehnjähriges Mädchen schlurfte herein.
    »Ilana, leg doch mal Musik auf. Was gefällt Ihnen so, Herr Schwarz?«
    Er hob unsicher die Schultern. »Klesmer vielleicht?«
    »Klesmer?«, wiederholten das Mädchen und seine Mutter und begannen zu kichern.
    »Er meint, Juden hören nur Klesmer«, erklärte Frau Loewi ihrer Tochter augenzwinkernd.
    »Weil wir alle Kitschtanten sind, oder was?«
    »Was denken Sie, was ein typischer Jude noch alles so tut, Herr Schwarz? Judenwitze erzählen? An der Börse spekulieren?«
    »Rebecca, bitte!«, griff ihr Mann ein.
    »Einen alten Chanukka-Leuchter haben wir tatsächlich«, sagte die temperamentvolle Frau.
    »Und Schwein essen wir nur, wenn wir’s nicht wissen«, ergänzte ihre Tochter.
    »Ich bin leider ein völlig unbeschriebenes Blatt, was die jüdische Kultur betrifft«, sagte Schwarz.
    »Wieso leider? Ein unbeschriebenes Blatt ist doch was Schönes, da ist noch jede Menge Platz für Text.«
    »Jetzt gib ihm endlich den Caipirovka, Rebecca.«
    Frau Loewi reichte Schwarz das Glas und lächelte ihm freundlich zu. »Nichts für ungut. Lechajim.«
    »Prost«, sagte Schwarz.
    Ilana entschied sich für Bon Jovi. Schwarz machte es sich auf dem Sofa bequem. Hier gefiel es ihm. Eine richtige Familie, wie lange hatte er das nicht mehr gehabt?
    Rebecca, wie er Frau Loewi auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin bald nannte, mixte noch ein paar Cocktails. Herr Loewi, der irgendwann auf Mineralwasser umgestiegen war, schloss sich der Verbrüderung nicht an. Schwarz fand das in Ordnung, ihm war es immer lieber, Geschäftliches und Privates zu trennen.
    Unglaublich, was diese Frau verträgt, dachte Schwarz gerade, als Rebecca plötzlich aufschrie. »Wo ist Mirjam? Karl, es ist nach zehn!«
    Sie holten Ilana aus dem Bett, aber das Mädchen hatte keine Ahnung, wo seine zwei Jahre ältere Schwester sich herumtrieb. Frau Loewi begann sofort, sämtliche Freundinnen und Freunde ihrer Tochter anzurufen.
    So fand der Abend ein abruptes Ende. Als Schwarz sich verabschiedete, hielt die besorgte Rebecca ihm, ohne ihr Telefonat zu unterbrechen, nur die linke Hand hin.
    Herr Loewi brachte ihn zur Tür.
    »Lassen Sie uns morgen früh weiterreden. Um neun im Portofino?«
    »Um zehn«, sagte Schwarz.

38.
    Marco saß neben Linda auf der Rückbank. Er war in einem jämmerlichen Zustand, seine Gesichtshaut war stark gerötet, sein Blick flackernd, sein Haar fettig.
    Der dunkelblaue Audi, den ein auffällig hagerer Mann steuerte, fuhr langsam an dem ahnungslosen Schwarz vorbei.
    »War das der Typ, der dich ausquetschen wollte?«, fragte Linda.
    Marco nickte hektisch.
    »Dachte ich’s mir doch.« Sie grinste.
    Der Hagere gab Gas. »Dann geht’s jetzt wieder zurück ins Außenlager Aubing.«
    »Nein«, flehte Marco, »ich bin doch euer Kamerad.« Linda lachte hämisch.
    »Du kannst dich bei Tim bedanken, dass du noch lebst«, sagte der Mann am Steuer. Auf dem Sitz neben ihm lag eine Pistole.
     
    Schwarz hatte erst an der frischen

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