Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
wo sie war.«
»Könnte es sein, dass sie nur ihre Mutter ärgern will?«
»Gut möglich. Oder sie hat irgendeine Dummheit gemacht.«
Schwarz’ Handy klingelte. Kolbinger.
»Ich muss dich sehen, Anton.«
»Wo?«
»Ich komme zu dir, ich bin sowieso in der Nähe.«
»Nein.«
Schwarz hatte keine Lust, den ehemaligen Kollegen in seine Wohnung zu lassen. Hinterher würde er sich bloß das Maul über ihn zerreißen und jedem erzählen, dass Schwarz seit der Trennung von Monika total auf den Hund gekommen sei. Kolbinger war genau der Spießer, der mit dem Zeigefinger über staubige Möbel fuhr und einen Kleiderberg als Zeichen seelischer Verwahrlosung deutete.
»Augustiner Biergarten«, sagte Schwarz.
»Ich trinke nicht im Dienst.«
»Ich auch nicht, Herr Hauptkommissar.«
40.
Es war der erste richtig warme Tag in diesem Jahr und der riesige Biergarten gerammelt voll. Der immer noch schwer verkaterte Schwarz fragte sich, in was für einer Stadt er lebte, in der die Menschen in der Mittagspause zwei bis drei Liter Bier hinunterstürzten, um dann beschwingt an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. Die einen an die Drehbank, wo Millimeterarbeit gefordert war, die anderen in die Führungsetage, wo die nächste Massenentlassung sozialverträglich gestaltet werden sollte.
»Kein Platz«, sagte Kolbinger.
Schwarz deutete auf einen nur zur Hälfte besetzten langen Tisch.
»Wir gehen besser rein«, sagte der ehemalige Kollege und machte ein konspiratives Gesicht.
Das Wirtsstüberl war bis auf eine schlecht gelaunte Kellnerin menschenleer.
»Zum Biergarten geht’s da«, sagte sie und deutete müde in die Richtung.
»Der Herr hat eine Pollenallergie.«
»Das hätte er gern«, sagte Schwarz.
Kolbinger nötigte ihn auf die Bank. Die Kellnerin watschelte in ihren Gesundheitsschuhen in Zeitlupe zu einem Servierschrank, um Speisekarten zu holen.
»Wir wissen es schon!«, rief Kolbinger. »Zwei Alkoholfreie. Und essen tun wir nichts.«
Die Kellnerin verließ ohne Hast den Raum.
»Eigentlich mag ich
gar
kein Bier heute«, murrte Schwarz.
»Also, pass auf, Anton«, sagte Kolbinger im Flüsterton, »dieses Foto vergisst du ganz schnell.« Er zog den Ausdruck heraus und klopfte mit dem Zeigefinger auf den hageren Kerl, dessentwegen Jo die Aufnahme gemacht hatte.
»Ist dir klar, wer das ist?«
»Nein, sonst hätte ich dich nicht gefragt.«
Kolbinger schaute sich nervös um. »Der Mann heißt Hörwig. Bernhard Hörwig. Klingelt da was bei dir?«
Schwarz schüttelte den Kopf.
»Wir hatten ihn am Wickel wegen einer großen Betrugsgeschichte. Er ist dann Informant für uns geworden.«
»Das muss nach meiner Zeit gewesen sein.«
»Kann sein. Er hatte hervorragende Kontakte ins kroatische und serbische Milieu.«
»Waffen oder Mädchen?«
»Waffen.«
»Stimmt, der Mädchenspezialist warst ja du.«
Kolbinger sah ihn böse an und fuhr fort.
»Plötzlich war er nicht mehr greifbar.«
Schwarz schaute ihn fragend an.
»Hinweis von oben. Finger weg!«
»Kannst du mal aufhören, in Rätseln zu reden?«
Kolbinger redete gar nicht mehr und wartete, bis die Kellnerin mit einem vernuschelten
zwei Bleifreie
das Bier abgestellt und sich schlurfend entfernt hatte.
»Drei Monate später sehe ich sein Bild in der Zeitung. Er marschiert bei einer Neonazi-Demo in der ersten Reihe mit. Und jetzt darfst du raten, Anton.«
Schwarz gefiel es überhaupt nicht, von seinem ehemaligen Zögling zu einem Ratespiel gezwungen zu werden.
Ein Betrüger kauft sich frei, überlegte er, indem er Informationenüber die Waffenschieberszene liefert. Plötzlich bricht der Kontakt zur Polizei ab und kurz darauf tritt er öffentlich als Rechtsradikaler auf.
»Ein V-Mann «, sagte er.
Kolbinger legte erschrocken den Finger auf die Lippen. »Ich möchte nicht wissen, wie du an das Foto gekommen bist, aber ich nehme an, es hat mit deinem Burger-Auftrag zu tun?«
Als Schwarz nicht reagierte, schüttelte er seine gefalteten Hände. »Anton, ich bitte dich, wühl da nicht weiter herum! Diese Geschichte ist eine Nummer zu groß für dich.«
»Kann schon sein.«
»Du kennst das doch mit den Spitzeln. Die müssen ständig beweisen, dass sie Hundertprozentige sind. Genau das macht sie extrem gefährlich.«
»Nehmen wir mal an, ich weiß, dass ein Anschlag vorbereitet wird. Soll ich da zuschauen?«
Kolbinger zuckte zusammen, fasste sich aber schnell. »Ja. Mit Hörwig hat der Verfassungsschutz das im Griff.«
»Und falls nicht?«
Kolbinger stand auf.
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