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Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Probst
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Vermutlich war sie schon vor ihrem Schlaganfall nicht mehr ganz klar im Kopf gewesen. Er blickte wieder auf den Brief.
    Das ist sicher ein Schock für dich, Anton . Oder du denkst, jetzt ist die Alte kurz vor ihrem Tod noch verrückt geworden.
    Aber es ist die Wahrheit. Meine Mutter war Jüdin.
    Sie war wie ich keine besonders religiöse Frau, und es war kein Problem für sie, ein Kind von einem Katholiken zu bekommen. Nur geheiratet hat sie ihn nie, denn den Namen ihrer jüdischen Familie wollte sie doch behalten.
    Schwarz.
    Sehr jüdisch, dachte Schwarz.
    An jenem Nachmittag im Spätsommer 1942 stand ich nicht auf der Liste der beiden Männer, weil ich nur ein sogenannter Jüdischer Mischling war. Meine Tante und mein Onkel waren wie mein Vater Katholiken und sollten mich in Pflegschaft nehmen. Aber ich wollte meine Mama um keinen Preis hergeben, und so ist alles anders gekommen. Wir wurden zum Messepalast nach Prag gebracht und von dort einige Tage später im Viehwaggon nach Theresienstadt.
    Aber darüber kann ich nicht schreiben, obwohl seither kein Tag vergangen ist, ohne dass ich daran gedachte hätte, an Theresienstadt, an Auschwitz, wo meine Mutter geblieben ist, und an Buchenwald, wo wir schließlich befreit wurden.
    Aber du sollst wissen, wie es dazu gekommen ist, dass ich dir nicht nur das Schreckliche verheimlicht habe, sondern auch das Schöne und alles andere. Und wieso ich sogar in eine Egerländer Tracht geschlüpft bin und mit der Gmoi
getanzt und gesungen habe. Ich hoffe so sehr, dass du mich wenigstens ein bisschen verstehst.
    Ich hatte überlebt und war als DP, das bedeutet Displaced Person, ins Lager Föhrenwald gekommen. Aber dort wollte ich auf keinen Fall bleiben, inmitten eines Volkes, das so viele meiner Verwandten und Freunde ins Gas geschickt hatte.
    Ich war siebzehn, grau im Gesicht wie eine alte Frau und wog keine vierzig Kilo. Trotzdem meldete ich mich begeistert für die militärische Ausbildung. Ich wollte für Israel kämpfen, für ein Land, in dem wir Juden für immer vor Demütigungen und Verfolgung sicher sein sollten. Du kennst das Hochland-Lager in Königsdorf, weißt aber wahrscheinlich nicht, dass es nicht für Ministranten und Pfadfinder, sondern für die HJ und den BDM errichtet wurde. Als der Nazispuk vorbei war, robbten dort wir mit unseren Gewehrattrappen durchs Unterholz. Ich war eine eifrige Kämpferin, denn ich hatte mich in Eli, meinen Ausbilder von der Hagana, verliebt . Er war der witzigste Kerl, der mir in meinem ganzen Leben begegnet ist. Und so zärtlich. Seit Mama und ich in Auschwitz getrennt worden waren, hatte mich kein Mensch mehr gestreichelt. Eli durfte mich sogar küssen und noch mehr. Ich war sicher, dass er mich in Israel heiraten würde. Er erzählte vom Leben im Kibbuz, und ich träumte von Orangenhainen, Ziegenherden und vor allem von unseren Kindern, vielen Kindern.
    Die Abreise unserer Gruppe aus Föhrenwald stand unmittelbar bevor, wir wurden von den anderen DPs sehr beneidet, weil wir so früh wegkamen. Im Lager gab es einen kleinen Schwarzmarkt, und ich brauchte noch feste Schuhe. Da sehe ich Eli bei einem Mann stehen, der immer die Challe verkauft hat. Er ist vielleicht zehn Meter entfernt, und ich will zu ihm laufen.
    Aber Eli hält Esthers Hand. Sie ist fünf Jahre älter als ich und wunderschön.
    Ich habe mich drei Tage lang in einem Heuschober versteckt, bis Eli und Esther endlich weg waren. Danach konnte ich nicht mehr essen. Eine ältere Polin hat sich um mich gekümmert und mir erklärt, dass alle Frauen in Eli verliebt waren und er sicher nicht ahnte, dass ich mich mit ihm verlobt fühlte.
    Ich bin trotzdem krank geworden und habe ein Fieber bekommen, das nicht mehr weggehen wollte. Immer dachte ich, jetzt ist es vorbei, dann ist es von neuem aufgeflammt. Es war, als würden all die schrecklichen Bilder aus Theresienstadt, Auschwitz und Buchenwald in mir brennen.
    Aber das Leben musste weitergehen, und nachdem ich einen jungen Bauern aus der Umgebung kennen gelernt hatte, verkaufte ich seine Waren auf dem Lagermarkt. Wir haben gut zusammengearbeitet, nach meiner Geschichte gefragt hat er mich kein einziges Mal.
    Ich wollte immer noch nach Israel, aber erst, wenn ich wieder ganz gesund war. Ich muss stark für Israel sein, dachte ich. Doch ich wurde nicht gesund und irgendwann war es zu spät. Alle Freunde, die mit mir die Ausbildung im Hochlandlager gemacht hatten, waren weg.
    Da habe auch ich Föhrenwald verlassen, bin eine Zeit lang

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