Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
Löffeln Zucker. »Herr von Medingen macht sich große Sorgen um den gesellschaftlichen Frieden. Nur deswegen hat er
Die Rechten
gegründet. Er behauptet, die Straftaten aus dem linken Spektrum seien deutlich zurückgegangen, seit sich die Unzufriedenen politisch vertreten fühlten. Das will er jetzt für den rechten Rand nachholen.«
»Verstehe ich das richtig: Er sieht sich als rechten Lafontaine?«
»Genau.«
Heiner bestellte noch einen Milchkaffee.
»Begreife ich nicht«, sagte Schwarz.
»Du musst nur viel Zucker nehmen.«
»Nein: Was will dieser von Medingen wirklich?«
»Er ist eitel und träumt davon, die politische Landschaft von rechts her aufzurollen.«
»Es gibt doch rechte Parteien.«
»Die sind für ihn bessere Sekten, die verboten gehören. Ihm schwebt eine Volkspartei vor.«
»Er ist für ein Parteienverbot?«
»Er spielt den überzeugten Demokraten. Das gelingt ihm auch, jedenfalls die meiste Zeit.«
»Aber?«
»Er droht.«
Schwarz schaute seinen Freund fragend an.
»Es sei fünf vor zwölf. Wenn es ihm nicht gelinge, seine Partei rasch zum Erfolg zu führen, würden bestimmte Leute unwiderruflich den Weg der Gewalt gehen.« Sein Handy klingelte. Am Apparat war eine der Schülerinnen, die Linda Heintl beobachteten.
Heiner hörte sich ihren Bericht aufmerksam an. »Gut. Setz dich auf deine Vespa und häng dich an sie dran. Wenn sie aus der Stadt rausfährt, schreib mir bitte eine SMS. Wenn sie in München bleibt und sich irgendwo länger aufhält, brauche ich die Adresse, ja? Danke.«
Er legte auf und grinste. »Linda Heintl war tatsächlich beim Friseur.«
53.
Schwarz wusste, dass er Loewi dringend einen Bericht schuldete. Da er Dienst in der
Karibik
hatte, verabredete er mit ihm ein Treffen an Cindys Wohnmobil. Er nahm wie üblich das Fahrrad und wollte den Weg nutzen, um ein wenig Ordnung in seinem Kopf zu schaffen. Aber immer wieder überfielen ihn Bilder seiner Mutter. Er sah sie stumm und hilflos im Krankenbett liegen oder sich als Mädchen verzweifelt an ihrer Mama festklammern.
Schwarz zwang sich zur Konzentration. Er hatte erstens herausgefunden, dass der Mann, von dem sie beobachtet worden waren, tatsächlich Bernhard Hörwig hieß und ein Spitzel des Verfassungsschutzes war. Er hatte zweitens erreicht, dass Rainer Bandmann, den Burger vor seiner Amokfahrt in Lindas Bett erwischt hatte, unter Polizeischutz stand. Er war drittens an wichtige Informationenüber den Gefängnispsychologen von Medingen gelangt, von dessen Parteigründung Loewi wahrscheinlich bereits aus den Nachrichten erfahren hatte. Er musste viertens seinen Auftraggeber über die schwarze Liste informieren und mit ihm über Vorsichtsmaßnahmen reden. Und fünftens verdichteten sich die Hinweise, dass Tim Burgers Freilassung unmittelbar bevorstand.
Schwarz wartete an der Ampel vor der Fürstenrieder Straße auf Grün, als ihn ein akustisches Signal auf eine SMS von Heiner hinwies.
Haben Linda leider verloren. Suche bisher erfolglos.
»Scheiße!« Schwarz schlug mit der Hand auf den Lenker.
Zur selben Zeit trat Karl Loewi vor seinem Wohnhaus in Neuhausen auf die Straße. Er brauchte einen Moment, bis er sich erinnerte, wo er seinen Wagen geparkt hatte, und machte sich dann Richtung Rotkreuzplatz auf.
Den dunkelblauen Audi, der etwa fünfhundert Meter von ihm entfernt am Straßenrand stand, registrierte er nicht. Er grüßte eine Nachbarin, die ihren Jack Russel ausführte. »Wie geht’s, Frau Danner?«
»Gott sei Dank wieder besser. Ich war beim Osteopathen. Kann ich Ihnen nur empfehlen, Herr Loewi.«
»Wenn ich mal Bedarf habe, melde ich mich wegen der Nummer bei Ihnen. Schönen Abend noch.«
Der Audi fuhr jetzt mit abgeblendeten Scheinwerfern in Schrittgeschwindigkeit auf Loewi zu.
»Beweise uns, dass du kein Verräter bist«, sagte Linda und drückte Marco die Pistole in die Hand. Die beiden saßen im Fond des Wagens, Hörwig am Steuer.
»Linda«, jammerte Marco, »was hat er euch denn getan?«
»Das fragst du? Er wollte dich umdrehen!«
»Ich kann das nicht.«
Loewi war noch fünfzig Meter entfernt.
»Du musst nur abdrücken, Mann.«
Marco starrte auf die Pistole.
»Es ist deine allerletzte Chance!«, schrie Linda, »checkst du das nicht?« Sie fuhr die Scheibe herunter.
Zwischen ihnen und Loewi lagen noch zehn Meter.
Marco hob die Pistole und zielte. Er weinte.
Hörwig beobachtete ihn im Rückspiegel.
»Noch nicht«, sagte Linda, »erst, wenn du seine Augen
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