Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Probst
Vom Netzwerk:
Vaters den linken Unterarm verbrannt. Die Narbe hat sie doch heute noch! Schwarz hatte plötzlich einen furchtbare Ahnung. Die Nummer, dachte er.
    Und ist es wirklich so schlimm, dass ich ein paar Egerländer Dialektwörter in meinen Wortschatz aufgenommen habe? Ja , ich habe als eine vom Unterland mit denen vom Oberland geflirtet, und ich habe mich sogar noch einmal verliebt. In einen Rudolf aus Elbogen. Er war ein großzügiger Mann, aber er hatte auch seine Prinzipien und wollte heiraten. Spätestens auf dem Standesamt wäre der ganze Schwindel aufgeflogen und eine Jüdin hätte der Rudolf, der in der Notkirche die Lesung vortrug, dann doch nicht genommen. Da hieß Föhrenwald übrigens schon Waldram, nach einem katholischen Heiligen, damit bloß keiner auf die Idee kam, die neuen Bewohner mit ihren jüdischen Vorgängern in Verbindung zu bringen.
    Ach ja, und dann waren da noch die Briefe von der Jüdischen Gemeinde in München in den sechziger und siebziger Jahren, Einladungen anlässlich der hohen Feiertage, zu Rosch Haschana, Jom Kippur und Pessach. Es gab wohl jemanden, der meine Geschichte kannte. Ich habe nie erfahren,
wer es war, und als mich schließlich eine Gemeindesekretärin persönlich anrief, habe ich sehr unfreundlich reagiert. Da muss eine Verwechslung vorliegen, habe ich gesagt, ich kenne überhaupt keine Juden. Heute denke ich, dass ich verrückt gewesen sein muss. Denn manchmal liege ich in meinem Bett und habe eine schreckliche Sehnsucht nach unserem jüdischen Leben in Karlsbad.
    Warum bloß habe ich alle von mir weggestoßen und am Ende auch dich verloren, Anton ? Ich hätte dir doch nur die Wahrheit sagen müssen. Du hättest mich bestimmt verstanden.
    »Du hast mich nicht verloren«, sagte Schwarz mit erstickter Stimme.

52.
    »Willkommen im Club!«, rief Heiner zur Begrüßung. Sie trafen sich im
Café Lieber Tee
, einem schmuddeligen Laden im Westend, in dem sich seit der Eröffnung 1978 weder die Musik noch die Einrichtung verändert hatte. Nur die Gäste waren dreißig Jahre älter als damals.
    »Ich glaube, das ist nicht unbedingt mein Club«, sagte Schwarz mit Blick auf die Kellnerin, die mit ihren etwa sechzig Jahren immer noch karottenfarbenes Haar und lila Latzhosen trug.
    Aber sein Freund wollte auf etwas anderes hinaus. Er reichte ihm den mehrseitigen Ausdruck einer Website.
    »www.rechte-ordnung. Was ist das?«
    »Eine schwarze Liste. Seit gestern Nacht schmückt sie auch dein Name. Aber nicht, weil du Schwarz heißt.«
    Der Ermittler studierte die alphabetisch geordneten Namen.
    »Was sind das für Leute?«
    »Mitglieder des Ausländerbeirats, der jüdischen Gemeinde, Politiker, Anwälte und Journalisten, die irgendwann mal was gegen Nazis gesagt haben – alle mit ihrer Privatadresse.«
    »Du stehst auch drauf.«
    Heiner nickte. »Zum Glück mit meiner alten Anschrift.«
    »Und Loewi, mit seiner richtigen   …«
    Unter der langen Reihe von Namen und Adressen stand ein kurzer Text:
Kameraden , wir laden euch zum Hausbesuch ein! Sollten dabei Scheiben klirren und Autos zerkratzt werden, ist das nicht unsere Schuld.
    »Das ist eine Aufforderung zu einer Straftat.«
    Heiner zuckte nur die Schultern.
    »Unternimmt da keiner was?«
    »Bis jetzt nicht.«
    »Seit wann gibt es diese Liste?«
    »Seit sechs Jahren.«
    »Weißt du, wer dahintersteckt?«
    »Ich denke, da haben sich mehrere rechte Gruppen vernetzt. Es ist kein Zufall, dass du nach deinem Besuch bei der
Manzonia
auf der Liste auftauchst.«
    Heiner winkte der Kellnerin. »Aber das ist ein Nebenkriegsschauplatz, Toni, davon lassen wir uns nicht den Schneid abkaufen.«
    Schwarz rang sich ein Grinsen ab. Sie bestellten zwei Tassen Café au lait aus fairem Handel.
    »Was ist der Hauptkriegsschauplatz?«
    » Manzonia
, Veranstaltungssaal. Mein lieber Herr Gesangsverein!«
    Der Kaffee aus fairem Handel schmeckte unfair bitter, was sicher nicht am kolumbianischen Lieferanten, sondern an der seit 1978 nicht entkalkten Kaffeemaschine lag. AberSchwarz vergaß über Heiners Bericht von der Pressekonferenz sowieso zu trinken.
    »Dieser Jörg von Medingen ist aufgetreten wie ein Staatsmann bei einem Golfturnier, in dunkelblauem Goldknopfjackett und beigefarbener Stoffhose. Auf der Bühne hat er sich von zwei blonden Burschenschaftlern einrahmen lassen.«
    »Waren viele Presseleute da?«
    »Viel zu viele. Das steht morgen überall auf der ersten Seite.« Er trank von seinem Kaffee, verzog angewidert das Gesicht und süßte ihn mit drei

Weitere Kostenlose Bücher