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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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durchgehen.«
    Die Stimme war ausdruckslos. »Das ist ein verdammter Brei, Peter. Ein gottverdammter Brei.«
    »Das glaub’ ich gern.«
    Beide schwiegen, und das Knistern in der Leitung wurde unerträglich.
    »Hallo, bist du noch da?« Peter Strup hatte die Verbindung für unterbrochen gehalten.
    »Ja, ich bin hier. Ich weiß nicht, was das beste ist, ehrlich gesagt. Ob er besser sitzt, oder ob sie ihn rauslassen sollten. Wir werden ja sehen. Der Einspruchsausschuß kommt vor heute abend wohl kaum zu einer Entscheidung. Vielleicht auch erst morgen. Die Jungs sind nicht gerade berühmt für ihren Überstundeneifer.«
    Peter Strup biß sich auf die Unterlippe. Er nahm das Telefon in die andere Hand und kehrte dem Fenster den Rücken. »Besteht irgendeine Chance, diese Lawine anzuhalten? Auf irgendeine ehrbare Weise, meine ich?«
    »Wer weiß? Vorläufig bereite ich mich auf alles vor. Wenn es knallt, dann wird das der lauteste Knall der Nachkriegszeit. Ich hoffe, ich stehe dann nicht gerade in der Nähe. Heute wünschte ich eigentlich, du hättest mir nichts gesagt.«
    »Das mußte ich aber, Christian. Daß Lavik dich wollte, war wirklich phantastisch in dem ganzen Schlamassel. Einen, zu dem ich auch Vertrauen haben kann. Echtes Vertrauen.«
    Das war durchaus nicht als Warnung gemeint. Dennoch wurde Christan Bloch-Hansens Stimme schärfer. »Eins muß hier ganz klar gesagt werden«, sagte er hart. »Mein Wohlwollen ist nicht unerschöpflich. Es gibt eine Grenze. Das habe ich dir schon am Sonntag klargemacht. Vergiß das nicht.«
    »Dazu werde ich wohl kaum die Gelegenheit haben«, meinte Peter Strup trocken und beendete das Gespräch.
    Er lehnte sich an die kalte Fensterscheibe. Das war kein verdammter Brei. Das war eine wahnwitzige Suppe. Er erledigte sein zweites Gespräch in drei oder vier Minuten, dann ging er frühstücken. Ganz ohne Appetit.
     
    An einem Küchentisch aus Kiefernholz, vor einem Fenster mit Fensterkreuz und rotkarierten Vorhängen, saß Karen Borg und aß mit ganz anderem Appetit. Sie war schon mit dem dritten Brot beschäftigt, und ihr Boxer hatte den Kopf auf seine Pfoten gelegt und blickte sie traurig und bittend an.
    »Bettelhund«, tadelte sie und vertiefte sich wieder in den Roman, der vor ihr lag. Ein altes Kofferradio auf dem Regal über dem Spülstein unterhielt sie leise.
    Die Hütte lag auf einer Felskuppe, mit einer Aussicht, die bis Dänemark reichte. Das hatte sie sich mit acht Jahren jedenfalls eingebildet. Damals hatte sie sich dieses flache Land im Süden vorgestellt, und sie hatte es wirklich gesehen, mit Buchen und munteren Menschen. Das Bild war unerschütterlich gewesen, auch wenn der große Bruder sie neckte und der Vater ihr wissenschaftlich bewies, daß alles nur Einbildung war. Als sie zwölf wurde, war das Bild verblaßt, und einen Sommer später war ganz Dänemark im Meer versunken. Eines ihrer schmerzhaftesten Erlebnisse beim Heranwachsen war die Einsicht gewesen, daß nicht alles so war, wie sie immer gedacht hatte.
    Sie hatte kaum Probleme damit gehabt, die Hütte zu heizen. Sie war winterisoliert, und es gab Strom. Noch im Laufe des Sonntags hatte sich eine angenehme Temperatur ausgebreitet. Karen hatte es nicht gewagt, die elektrische Pumpanlage einzuschalten, vielleicht waren die Rohre ja zugefroren. Aber egal, der Brunnen war nur einen Steinwurf von der Hütte entfernt.
    Jetzt, zwei Tage später, fühlte sie sich ruhiger als seit vielen Wochen. Das Mobiltelefon war zwar sicherheitshalber eingeschaltet, aber nur ihr Büro und Nils hatten die Nummer. Er hatte sie in Ruhe gelassen. Die letzten Wochen waren für sie beide eine Belastung gewesen. Sie wand sich beim Gedanken an seinen verletzten, fragenden Blick, an seine hilflosen Versuche, ihr entgegenzukommen. Ihn abzuweisen war ihr zur Gewohnheit geworden. Sie sprachen höflich über die Arbeit, über die Nachrichten und die nötigen Alltagsangelegenheiten. Keine Intimität, keine Kommunikation. Vielleicht empfand er es als Erleichterung, daß sie verreist war, auch wenn er versucht hatte zu protestieren, mit Tränen in den Augen und verzweifelten Fragen. Jedenfalls hatte er nichts von sich hören lassen, seit sie den obligatorischen Anruf getätigt und ihm mitgeteilt hatte, daß sie gut angekommen war. Obwohl sie froh darüber war, daß er ihren Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden, respektierte, machte ihr der Gedanke zu schaffen, daß ihm das wirklich gelang.
    Sie fröstelte und kleckerte ein wenig Tee auf die

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