Blinde Seele: Thriller (German Edition)
Operntruppe.
»Puh, da bin ich erleichtert!« Die Vermieterin zog sich ins Wohnzimmer zurück.
Sam folgte ihr. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich einen Blick in den Wandschrank werfe?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob Miss Smith das recht wäre«, sagte Jolene Baker, »aber ich nehme an, wenn Sie ein Cop und ein Freund von ihr sind …«
Sam gab nichts auf die Betonung des Wortes »Freund«, bedankte sich aber trotzdem bei ihr und warf rasch einen dezenten Blick in den kleinen Kleiderschrank – ausgiebig genug, um zu sehen, dass Billies Kleider noch da waren. Dann ließ er den Blick noch einmal durch das Zimmer schweifen.
Er erinnerte sich, dass Billie normalerweise eine große Umhängetasche aus weichem rosa Leder und ein fuchsiafarbenes Schultertuch trug. Von beidem war keine Spur zu sehen.
»Sind Sie fertig?« Die Vermieterin wurde allmählich ungeduldig.
»Ich nehm’s an«, sagte Sam.
Es gab auch keine Spur vom Carmen -Libretto, was darauf hinzudeuten schien, dass Billie es mitgenommen hatte, als sie aufgebrochen war – vermutlich zur Probe.
Zum Glück gab es keinen Hinweis darauf, dass es irgendwelchen Ärger gegeben hatte. Und das Zimmer war zwar nicht übertrieben gründlich geputzt, aber sauber. Keine Krümel auf dem Küchentresen, nichts in der Spüle. Nur irgendetwas auf dem Boden, das nach Samen oder Körnern aussah. Oder vielleicht Tabak.
Sam bückte sich, sah genauer hin, nahm es zwischen zwei Finger und schnupperte daran. Nichts. Der einzige Geruch im Zimmer war irgendetwas Würziges, das offenbar schon vor längerer Zeit gekocht worden war – die Art Geruch, die sich lange hielt.
»Es ist nicht das, was Sie denken«, sagte die Vermieterin. »Ich erlaube meinen Mietern keine Drogen.«
»Davon bin ich überzeugt«, sagte Sam. »Ich habe es auch nicht angenommen.«
Die Vermieterin trat einen Schritt auf ihn zu und beäugte seine Hand. »Das könnte der Tee sein, den sie trinkt. So ein Kräuterzeug. Sie hat mir mal welchen angeboten, aber ich trinke lieber richtigen Tee.«
»Ich auch«, sagte Sam.
Die Frau zuckte die Schultern. Sie wurde erkennbar ungeduldig.
Zeit zu gehen.
Sam bedankte sich bei Jolene Baker.
Sie bat ihn, durch Billies Tür hinauszugehen, damit sie hinter ihm abschließen und sicher sein könne, dass er gegangen war, bevor sie die Verbindungstür zusperrte.
»Nichts für ungut, Detective.«
»Kein Problem«, sagte Sam. »Man kann nicht vorsichtig genug sein.«
Draußen war es noch nicht dunkel, aber Sam zückte trotzdem seine Stiftlampe und leuchtete damit über den Weg und den Garten, ohne zu wissen, wonach er eigentlich suchte oder warum.
Im Gras waren ein paar Fußspuren zu sehen, die nicht von ihm selbst stammten. Es waren kleine Spuren, vermutlich von einer Frau, vielleicht von Billie. Und auf dem staubigen Fußweg waren ein paar kleine, rundliche Vertiefungen – eine ganze Reihe, in regelmäßigen Abständen. Sie konnten vom Absatz eines Damenschuhs stammen, von der Spitze eines Regenschirms oder Gehstocks oder sogar von dem Fuß eines Sonnenschirms, auch wenn die Spuren ein bisschen klein dafür waren. Vermutlich hatten sie nichts zu bedeuten.
Sam wandte sich zum Gehen.
Er würde Billie sein Eindringen erklären müssen, wenn sie wieder auftauchte.
Wenn sie deswegen sauer wurde, würde er sich entschuldigen, kein Problem.
Trotzdem zückte Sam sein Handy und machte ein paar Nahaufnahmen von den Spuren.
Man konnte nie wissen.
57.
21. Mai
Das Familienessen gestern Abend war ungewöhnlich angespannt gewesen. Alle hatten Mildred mit Samthandschuhen angefasst; David hatte sie geärgert, indem er übertrieben beschützerisch war; Claudia hatte einen depressiven Tag gehabt, und Saul litt Schmerzen, da er sich den Rücken verhoben hatte, als er in seiner Werkstatt einen soeben fertiggestellten Eichentisch in eine Ecke geschoben hatte.
»Es ist nicht leicht mit anzusehen, wenn Mildred solche Angst hat«, hatte Sam später gesagt. »Auch wenn wir wissen, dass es nur ein kleiner Eingriff ist.«
»Für sie nicht«, hatte Grace gesagt. »Aber wenn wir schon bei dem Thema sind, wie es ist, beunruhigt zu sein – ich finde, du solltest Billie Smiths Eltern anrufen.«
»Du hast recht. Ich nehme an, ich könnte Larry ausfindig machen«, sagte Sam. »Wenn es Cathy wäre, würden wir es doch auch wissen wollen, wenn es ein Problem gäbe.«
»Hoffen wir, dass es kein Problem gibt«, hatte Grace gesagt.
Gleich am Samstagmorgen hatte er eine ganze Reihe Lawrence
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