Blinde Seele: Thriller (German Edition)
Tyler Allen war ein ehemals erfolgreicher Choreograf und derzeit Amateur, was hart für ihn sein musste.
Aber das war kein Grund, ihn auf irgendeine Weise zu verdächtigen.
Leben und leben lassen.
*
Um kurz nach neun rief er Linda Morrison in ihrem Bekleidungsgeschäft an, um zu fragen, ob sie von Billie gehört habe.
»Kein Wort«, sagte Linda. »So langsam mache ich mir Sorgen um sie.«
»Ich habe ihre Handynummer«, sagte Sam, »aber keine Adresse.«
Linda sagte, sie hätte die Adresse in ihren Unterlagen und würde ihn zurückrufen.
Sam erwähnte es Grace gegenüber, als sie ihn am Vormittag anrief.
»Wenn du dir Sorgen um Billie machst, dann schau bei ihr vorbei«, riet sie ihm. »Aber eigentlich rufe ich an, weil ich mir dachte, wir könnten uns einen Familien-Freitagabend machen.«
Das war eine Tradition, die sie in letzter Zeit ein bisschen vernachlässigt hatten: das Familienessen, um den jüdischen Sabbat zu feiern – ein Essen, das keiner von ihnen ohne guten Grund versäumt hatte, solange Judy Becket noch am Leben gewesen war. Grace, trotz ihrer katholisch-protestantisch gemischten Erziehung, hatte diesen Brauch gern übernommen, denn sie mochte diese bunte Vielfalt bei den Beckets.
»Klingt gut«, sagte Sam. »Selbst wenn ich noch bei Billie vorbeischaue, müsste ich rechtzeitig zum Abendessen zu Hause sein. Sonst fangt ihr einfach ohne mich an.«
»In Ordnung. Weißt du, ich dachte mir, wo Mildred nächsten Donnerstag in die Klinik muss …«
»Steht das denn jetzt fest?« Sam war überrascht.
»Ich habe es selbst erst vor zehn Minuten erfahren, weil ich sie angerufen habe. Sie sagt, sie wird nur zum Essen kommen, wenn wir versprechen, nicht über ihre Augen zu reden. Sie hat auch zu Hause ein Veto über das Thema verhängt.«
*
Um sechzehn Uhr rief Linda Morrison an und nannte Sam Billies Adresse. Ihrem Gedächtnis, sagte sie, sei von Toni Petit auf die Sprünge geholfen worden, die angerufen hatte, um zu erfahren, ob Linda etwas von Billie gehört habe.
Auf der Nachhausefahrt nahm Sam einen Umweg. Er fuhr allein, da es nichts mit dem Job zu tun hatte und Martinez mit einem Cousin aus New York zum Essen verabredet war.
Sam hatte ein ungutes Gefühl wegen Billie. Nicht unbedingt eine seiner Ahnungen, aber trotzdem war da etwas, was er nicht greifen konnte.
Billie hatte ein Zimmer in einem kleinen Haus in Little Havana gemietet, in der SW 29th Avenue, nahe der 13. Straße, nicht weit vom Friedhof Woodlawn.
Wie sich herausstellte, war es ein kleines, unansehnliches Haus. Ein angeklebtes Plastikschild neben der Vordertür informierte Besucher, dass sich der Eingang für »B. Smith« an der Rückseite des Hauses befand.
Sam ließ sich einen Augenblick Zeit und überlegte, ob sein unangemeldeter Besuch vielleicht unangebracht sei und ob er nicht besser zuerst mit Billies Eltern hätte Kontakt aufnehmen sollen. Aber warum sollte er ihre Eltern beunruhigen, wenn es vielleicht gar keinen Grund dafür gab?
Der Fußweg, der zur Hintertür führte, war staubig. Unkraut wucherte an den Rändern.
Sam klopfte an, trat einen Schritt zurück und wartete.
Nichts tat sich. Kein Licht flammte drinnen auf. Es gab keinen Hinweis darauf, dass das Haus überhaupt bewohnt war.
Sam ging zurück zur Vordertür und klopfte.
Auch hier keine Antwort, aber er konnte eine Spielshow im Fernsehen hören, deshalb klopfte er hartnäckig weiter an, bis er schließlich von einem langsamen Schlurfen belohnt wurde, das sich der Tür näherte.
»Wer ist da?«, fragte eine Frau mit misstrauischer Stimme.
»Mein Name ist Sam Becket. Ich bin ein Freund von Billie Smith.«
»Können Sie nicht lesen?« Sie war verärgert. »Ihr Eingang ist hinten.«
»Da habe ich’s versucht, Ma’am«, sagte Sam. »Sie hat nicht aufgemacht.«
»Dann wird sie wohl nicht da sein.« Ihr Tonfall war gedehnt und schleppend; offenbar stammte sie aus den Südstaaten.
Da Sam hier nicht zuständig und ohnehin in einer privaten Angelegenheit gekommen war, hatte er nicht die Befugnis, von seinem Status als Polizist Gebrauch zu machen. Andererseits war nicht zu übersehen, dass die Frau ihn niemals ins Haus lassen würde, wenn er es nicht tat.
»Ma’am, ich bin Detective vom Miami Beach Police Department. Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen. Deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie die Tür öffnen würden.«
Die Frau schwieg einen Moment.
»Haben Sie eine Dienstmarke?«, fragte sie dann.
»Ja, Ma’am.«
Eine weitere Pause,
Weitere Kostenlose Bücher