Blinde Seele: Thriller (German Edition)
während die Frau eine Sicherheitskette vorlegte und die Tür dann einen Spaltbreit öffnete.
»Zeigen Sie mal«, sagte sie. Die Frau war in dem schwachen Licht hinter der Tür kaum zu sehen.
Sam hielt ihr seine Dienstmarke hin.
»Detective?«, sagte sie.
»So ist es, Ma’am. Von Miami Beach.« Zwecklos, in dem Punkt zu lügen. »Ich bin zwar nicht in offizieller Angelegenheit hier, aber Mrs. Smith ist eine Kollegin von mir, und ich mache mir Sorgen um sie.«
»Sie ist Cop?« Die Frau klang beinahe schockiert.
»Nein, Ma’am. Ich muss nur wissen, wann Sie sie zuletzt gesehen haben.«
»Ich weiß nicht. Sie hat ihren eigenen Eingang, da kann sie kommen und gehen, wie sie will.«
»Können Sie sich erinnern, ob Sie sie in den letzten paar Tagen gesehen haben?«, hakte er nach.
»Ich glaube nicht.«
Sam ließ ihr einen Augenblick Zeit. »Ma’am, würde es Ihnen sehr viel ausmachen, mich rasch einen Blick in ihre Wohnung werfen zu lassen? Nur damit ich mich vergewissern kann, dass alles in Ordnung ist.«
»Ich weiß nicht … Es ist ihre Wohnung. Sie zahlt die Miete.«
»Ich übernehme die volle Verantwortung«, sagte Sam. »Ist doch selbstverständlich.«
»Zeigen Sie mir noch mal Ihre Dienstmarke.«
»Natürlich.«
Die Frau schaute sich die Marke noch einmal an. Dann seufzte sie, entfernte die Kette, öffnete die Tür und ließ Sam herein. »Ich habe keinen Schlüssel zu ihrem Vordereingang, aber es gibt eine Verbindungstür, die wir benutzen können.«
Billies Vermieterin trug ein hellblaues Hauskleid und Pantoffeln und erwies sich als jünger, als ihre Stimme geklungen hatte – nicht älter als vierzig, schätzte Sam, mit mausgrauem Haar und einem kleinen, blassen, pausbäckigen Gesicht. Sie bewegte sich wie eine Frau, die wenig Energie besaß. Sam vermutete, dass sie krank war.
Die Frau ging voran durch einen kleinen, kahlen Flur, nahm einen Schlüssel von einem Haken an der Wand und ging dann an ihrer Küche und ihrem Bad vorbei zu einer verschlossenen Tür, die vermutlich in Billies Wohnung führte.
»Ich sollte zuerst klopfen«, sagte sie.
»Gute Idee«, sagte Sam.
»Ich hoffe, es geht ihr gut.« Die Frau schaute mit besorgter Miene zu ihm hoch.
»Das hoffe ich auch«, sagte Sam. »Dürfte ich vielleicht Ihren Namen erfahren, Ma’am?«
»Warum?« Wieder dieses Misstrauen.
»Sie sind sehr hilfsbereit«, sagte er. »Sehr freundlich.«
»Warum sollte ich das nicht sein?« Sie zuckte die Schultern. »Aber okay. Mein Name ist Jolene Baker.«
Die Tür knarrte, als die Frau sie öffnete. »Miss Smith?«
Absolute Stille.
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich rasch umsehe?«, fragte Sam.
»Nur zu, Detective.«
Billies Wohnung war deprimierend. Ein kleines Zimmer und ein Bad. Eine Küche gab es nicht, nur eine alte, verbeulte Mikrowelle und einen kleinen Kühlschrank. Durch das schmale Fenster zum Garten sah Sam, dass der Grill, den er schon vorher draußen entdeckt hatte, stark benutzt war.
Billies eigene Ausgangstür hatte ein doppeltes Schloss.
Ein gerahmtes Foto stand auf einem niedrigen weißen Plastiktisch neben dem Sofa, das sich vermutlich zu einem Bett ausklappen ließ. Es war ein Foto ihrer Eltern, nahm Sam an. Auch wenn er Jill Smith nie begegnet war – Larry mit seiner schlaksigen Gestalt und seinem fröhlichen Grinsen war auf Anhieb zu erkennen.
Davon abgesehen gab es kaum etwas. Keinen Krimskrams, keinen Nippes – nichts, was das Gefühl vermittelt hätte, dass hier jemand zu Hause war. Es war ein bescheidener Wohnraum, ohne Wärme, trist und trostlos für den Menschen, der hier lebte.
Ausgerechnet eine schöne, junge, talentierte Frau.
Nicht deine Angelegenheit, sagte sich Sam. Vergewissere dich lieber, dass Billie nicht krank oder verletzt ist.
»Sehen Sie lieber auch im Bad nach«, sagte Jolene Baker, die plötzlich nervös geworden zu sein schien.
Im Bad gab es nur eine Duschkabine und ein Waschbecken, außerdem einen kleinen quadratischen Spiegel und eine Ablage. Und doch bewahrte Billie hier mehr persönliche Gegenstände auf als irgendwo sonst in ihrer Wohnung: Kosmetika, Parfüms, Kopfschmerztabletten und, an den Spiegel geklebt, ein kleines Foto von ihr, das sie auf irgendeiner Bühne zeigte, in einem kleinen roten Kleid und sehr hohen Absätzen, während sie in ein Mikrofon sang. Also gab es für sie mehr als nur die Oper … und vielleicht noch eine ganz andere Welt, von der Sam sie nie hatte reden hören, weder mit ihm noch mit sonst jemandem aus der
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