Blinde Seele: Thriller (German Edition)
ein.
»Reiseerinnerungen, wissen Sie«, sagte Chauvin. »Ich bin sicher, Sie und Sam machen auch Fotos, wenn Sie verreisen.«
»Na klar«, sagte sie.
»Ein Lächeln für mich?«
Grace wandte sich um, lächelte, und die Kamera surrte und blitzte.
»Noch einmal bitte.«
Diesmal drehte Grace sich nicht um, hörte aber, wie die Kamera erneut surrte.
Sie schaute auf ihre Armbanduhr und schüttelte den Kopf.
»Es tut mir leid, Thomas, aber ich kann nicht mal den Kaffee mit Ihnen trinken. Ich muss jetzt wirklich los.« Sie schaltete die Maschine aus und wandte sich um.
Chauvin schoss noch ein Foto.
Grace blinzelte. »Das reicht jetzt, bitte.«
Er murmelte irgendetwas auf Französisch.
»Das habe ich nicht verstanden«, sagte Grace.
»Ich habe nur laut gedacht«, erwiderte Chauvin, »wie verblüffend ähnlich Sie der verstorbenen Prinzessin von Monaco sehen.«
Grace lachte.
»Im Ernst«, sagte er.
»Ich bin blond«, entgegnete sie. »Damit erschöpfen sich aber auch schon die Ähnlichkeiten.«
»Nein. Sie haben denselben wundervollen Knochenbau, dieselben schönen Augen.«
Unbehagen erfasste Grace. »Ich denke, Sie sollten jetzt besser gehen.«
»Nur noch ein paar Fotos, bitte.« Er hob wieder die Kamera.
»Keine Fotos mehr.« Sie blieb hart.
»Wollen Sie etwa meine Kamera konfiszieren?« Er grinste. »Sie klingen wie eine Lehrerin, wenn Sie mich so schelten.«
»Keineswegs«, sagte Grace. »Ich habe nur viel zu tun.«
»Okay.« Chauvin bückte sich, steckte die Kamera in seine Tasche und erhob sich. »Es ist Ihr gutes Recht, wütend auf mich zu sein. Ich habe mich aufgedrängt.«
»Ganz und gar nicht.« Grace ging voran in die Diele. »Aber Sie sollten wirklich vorher anrufen, wenn Sie hierherkommen. Sam und ich haben volle Terminkalender.«
An der Haustür blieb Chauvin stehen.
»Wissen Sie, damals in der Schweiz fand ich die Ähnlichkeit zwischen Ihnen und der anderen Grace fast unheimlich, aber dann, gestern Abend, als ich Ihre Tochter kennengelernt habe, hat es mir geradezu den Atem verschlagen.«
»Was Sie nicht sagen.« Grace öffnete die Tür.
»Es muss Ihnen doch auch aufgefallen sein? Diese unglaubliche Ähnlichkeit, meine ich.«
»Noch nie«, sagte Grace.
»Mein Güte, das wäre was, Cathy als Grace Kelly zu fotografieren. Vielleicht so, wie sie in Die oberen Zehntausend ausgesehen hat. Oder Bei Anruf … «
»Ich will nicht, dass Sie meine Tochter belästigen, Mr. Chauvin«, unterbrach Grace ihn scharf.
»So feindselig?« Er blickte sie enttäuscht an. »Von Thomas zu ›Mister‹?«
Demonstrativ zog Grace die Tür noch weiter auf, und Chauvin trat über die Schwelle.
»Auf Wiedersehen«, sagte sie kühl. »Schönen Aufenthalt noch.«
Hinter ihm schloss sie die Tür.
Das Unbehagen war Beklommenheit gewichen.
Sie ging zurück in die Küche, griff zum Telefon und drückte Cathys Kurzwahltaste.
»Wenn Sie eine Nachricht hinterlassen, rufe ich Sie gern zurück«, erklang die Stimme ihrer Tochter.
»Hallo, Cathy, ich bin vielleicht ein bisschen überreizt, aber falls Chauvin versucht, sich mit dir in Verbindung zu setzen, geh nicht darauf ein und ruf Sam an, hörst du? Ich habe ein ungutes Gefühl bei diesem Mann. Ruf mich bitte an, sobald du diese Nachricht abgehört hast.«
Grace beendete den Anruf und wählte Sams Nummer.
Wieder eine Voicemail.
Wieder hinterließ sie eine Nachricht.
78.
Als Sam wieder in den Wagen stieg, hatte Martinez soeben ein Telefonat beendet.
»Cutter sagt, der Arzt der Delgados hat angerufen. Dr. Bartolo Lopez. Beatriz und ihre Tochter waren am zehnten in seiner Praxis. Cutter und Sheldon werden mit ihm reden.« Martinez hielt einen Moment inne. »Hat dir deine Nase da drinnen irgendwas gesagt?«
»Nichts«, sagte Sam. »Das Zeug, das Marilyn für chemische Peelings benutzt«, er verzog das Gesicht, »kam dem Geruch am nächsten, aber ich müsste raten.«
Martinez hatte sich über Dewayne/Marilyn Jones kundig gemacht, hatte aber nur ein paar Anzeigen wegen zu schnellen Fahrens gefunden, nichts Schwerwiegendes, und hatte ihm seinen Führerschein zurückgegeben.
»Das Problem bei Geruchserinnerungen besteht darin«, sagte Sam, »dass man sich nie sicher sein kann, ob sie zutreffend sind.«
»Und selbst wenn du den Geruch erkannt hättest«, sagte Martinez, »wie sollte uns das helfen, wenn ungefähr tausend Leute in Florida dieses Zeug verwenden?«
»Ich weiß.« Sam schaute auf sein Handy, entdeckte Grace’ Nachricht, hörte sie ab und rief
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