Blinde Seele: Thriller (German Edition)
bisschen beruhigter.«
»Gut.« Mildred blickte Alvarez und Riley an. »Meine größte Sorge ist, dass sich jemand um diesen Mann kümmert, damit er jemand anderem nicht wirklich wehtut.«
»Dr. Wiley hat auch Ihnen wehgetan«, erinnerte Riley. »Und er hat Ihnen Angst gemacht.«
»Allerdings«, gab Mildred ihr recht.
»Ich wäre gern dabei, wenn Sie ihn festnehmen«, sagte David.
»Das würde ich nicht empfehlen«, erwiderte Alvarez.
»Werden Sie ihn denn wirklich festnehmen? «, fragte Mildred unsicher.
»Wir werden mit ihm reden«, erwiderte Alvarez. »Erst einmal.«
»Und wir werden mit Dr. Adams sprechen müssen«, ergänzte Riley.
»Wo steckt er eigentlich?«, fragte David.
»Nur Geduld«, sagte Mildred.
107.
Grace nahm beim ersten Klingeln ab.
Es war nicht Sam.
Es war Carlos Delgado.
»Es tut mir sehr leid, Sie so spät noch anzurufen, Dr. Lucca.«
Es war zwanzig nach zehn.
»Ist etwas passiert?«, fragte Grace besorgt.
»Ja«, antwortete Delgado. »Felicia hat mir eben gesagt, dass sie bereit ist, über den Tod ihrer Mutter zu sprechen.«
»Das ist eine gute Neuigkeit«, sagte Grace.
»Aber sie will mit niemandem reden außer Ihnen. Ich habe ihr gesagt, wir müssten bis zum Morgen warten, aber darüber hat sie sich schrecklich aufgeregt. Felicia besteht darauf, es Ihnen jetzt zu sagen, heute Abend noch. Ich befürchte, wenn Sie nicht kommen, rastet sie wieder aus.«
Ihr blieb keine Wahl.
»Lassen Sie mich noch rasch ein paar Dinge regeln«, sagte Grace, »dann fahre ich los.«
108.
»Wenn es das ist, was ihr beide wollt«, sagte Kate Petit, »na schön, dann reden wir eben.«
Sie wandte sich nach rechts, führte sie in ein Wohnzimmer.
Beigefarbene Wände, brauner Teppich, eine einzige Lampe an der Decke. Kaum etwas in Sachen Gemütlichkeit und kein bisschen Krimskrams. Vermutlich, nahm Sam an, lag es daran, dass eine der Frauen halb blind war – davon war er inzwischen immer mehr überzeugt. Ein abgewetztes Sofa, ein Sessel, ein mit Stoff bespannter Schemel, ein kleiner runder Kieferntisch mit zwei Stühlen mit Flechtlehne, ein niedriger Beistelltisch neben dem Sofa – das war es auch schon.
Das Zimmer war nüchtern, beinahe deprimierend und schwer in Einklang zu bringen mit der schicken Frau, die so wunderschöne Kleider schneidern konnte. Ein paar Bücher, keine Fotos, eine kleine schwarze Hi-Fi-Anlage in einer Ecke auf dem Boden, ein Stapel CDs daneben. Kein Fernseher. Ein Gemälde, das ein Maisfeld zeigte – vielleicht eine Szene aus Louisiana, vielleicht ein Bild, das die Schwestern mit nach Florida gebracht hatten.
In der Wand gegenüber vom Gemälde befand sich eine Tür.
Rechts neben dieser Tür, schräg in eine Ecke gestellt, sah Sam einen schwarzen Gehstock. Kein faltbarer weißer Stock, der Kates Sehbehinderung hätte erkennen lassen – aber auf einmal musste Sam an die Vertiefungen auf dem Fußweg und dem Rasen vor Billies Zuhause denken.
Das Geräusch war wieder zu hören. Gedämpfter als vorhin, aber ebenso erschütternd. Das Geräusch menschlicher Angst.
Es erklang nicht hinter der geschlossenen Tür, sondern weiter hinten im Haus.
»Was würden Sie gern wissen?«, fragte Kate Petit.
»Was immer Sie mir sagen wollen«, sagte Sam.
Kate bedeutete ihm mit der Waffe, sich in den Sessel zu setzen. Sie hielt die Pistole noch immer mit beiden Händen umklammert, auch wenn Sam den Eindruck hatte, dass sie ein bisschen danebenzielte.
Aber nicht weit genug daneben, als dass er ein Risiko eingehen wollte.
Es würde reichen, um ihn zu treffen.
Dafür hatte Kate Petit eindeutig genug Sehvermögen.
Und damit auch genug Sehvermögen, um Black Hole zu sein.
Rein hypothetisch.
Sams Sessel hing durch, fühlte sich klumpig an, ließ finanzielle Nöte vermuten.
Von finanziellen Vorteilen aus den Morden war bislang nichts bekannt.
Beide Frauen standen noch immer. Kate Petit machte nicht den Eindruck, einen Gehstock zu benötigen – falls es überhaupt ihrer war. Vielleicht, überlegte Sam, braucht sie den Stock nur, wenn sie außer Haus ist.
»Toni?« Er sah zu ihr hoch. »Du hast gesagt, du müsstest reden.«
Die Schneiderin von Bühnenkostümen.
Und möglicherweise die Schwester einer Serienmörderin.
Eines Monsters.
Toni setzte sich rechts neben Sam aufs Sofa. Sie war blass, und wenn er vorhin gedacht hatte, sie sähe müde aus, dann sah er jetzt die Art von Erschöpfung, die bis in die Knochen ging.
Oder vielleicht bis in die Seele.
Toni schaute zu ihrer
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