Blinde Verführung (German Edition)
treffen. Außerdem wirst du mich verstehen, wenn du seine Pizza erst gekostet hast.“
„Du hast viele Köche in deinem Freundeskreis“, stellte sie neckend fest.
„Ein Schelm, der Böses dabei denkt.“
„Ach, woher denn.“ Marlene hakte sich lächelnd bei ihm ein und folgte ihm die Straße entlang. Obwohl sie genau sehen konnte, wo sie hinwollten, ließ sie ihn seinen eigenen Weg finden. Das lockere Pendeln seines Stocks faszinierte sie, aber noch viel mehr weckte er ihr Interesse durch leises, regelmäßiges Schnipsen, als sie sich dem Haus näherten.
„Was machst du da?“, fragte sie neugierig.
„Echo-Ortung.“ Patrick streckte die Hand aus und griff beinahe perfekt nach der Klinke. „Es ist das gleiche Prinzip wie bei Delfinen. Der Schall, den ich aussende, wird reflektiert und ich kann daraus die Entfernung abschätzen.“
„Echo-Ortung? Funktioniert das wirklich? Hier ist es doch so laut“, meinte Marlene. Der Lärm der vorbeirasenden Autos missfiel ihren gebeutelten Ohren. Sie wusste schon, warum sie es vorzog, allein zu arbeiten und nicht in einer großen Backstube oder Küche.
„Es ist besser für Innenräume. Nachdem ich in meiner Wohnung fast alles mit meinem Stock angehauen habe, habe ich mir das schleunigst angeeignet.“
„Das ist ja wahnsinnig interessant. Ich wusste nicht, dass Menschen so etwas auch können.“
„Doch, und sogar ziemlich gut. Viele Blinde erzeugen die Klickgeräusche lieber mit dem Stock, das ist weniger auffällig, aber du kannst es ja gerne mal selbst probieren. Nimm am Besten einen Klicker dafür, die sind lauter als Schnipsen oder Zungenschnalzen und das Geräusch ist gleichmäßiger. Anfänger sollten es sich so leicht wie möglich machen.“
„Kannst du mir das Klickern vielleicht zeigen? Heidi lacht mich bestimmt aus, wenn ich das bei ihr zu Hause mache.“
Lachend küsste er ihre Hand. „Klar, es wäre mir ein Vergnügen. Übrigens, sag lieber Klicksonar dazu, wenn du mit einem Blinden sprichst, sonst denkt der vielleicht, du meinst Hundetraining.“
Marlene biss sich auf die Lippe, um nicht unangebracht zu lachen. „Wenn sie doch aber so gute Ohren haben … Hörst du wirklich einen Unterschied bei den Geräuschen? Ich glaube, ich würde gegen jede Wand rennen.“
„Oh, das tust du am Anfang auch“, sagte Patrick feixend, „aber nach einer Weile stellen sich Gehirn und Gehör darauf ein. Das heißt, wenn man kein vollkommener Depp ist.“
„Oh, jetzt habe ich Angst das zu probieren.“
„Nicht doch. Du bist Vieles, aber ganz sicher kein Depp.“ Er zwinkerte und hielt die Tür für sie auf. „Nach dir.“
Sie hatten kaum das Restaurant betreten, da kam ihnen auch schon Dante entgegen. Wie Kelly trug er seine weiße Küchenkluft mit Stolz, und dazu ein breites Grinsen im Gesicht. „Marlene! Schön, dich so bald wiederzusehen!“ Er packte sie an den Schultern und drückte ihr zwei herzliche Küsse auf die Wangen. „Hübsch siehst du aus. Viel zu gut für Pat!“
Sie errötete. „Danke für das Kompliment.“
„Du bist so charmant wie eh und je“, sagte Patrick trocken. „Du weißt immer, was ein Mann in Begleitung einer schönen Frau hören will.“
„Ich weiß.“ Dante zwinkerte und brachte sie zu einem elegant eingedeckten Tisch. „Setzt euch, ich schicke gleich jemanden zu euch.“
Damit verschwand er wieder in der Küche und ließ Marlene etwas benommen zurück. „Bin das nur ich, oder benimmt er sich hier noch italienischer als sonst?“
Patrick lächelte. „Hier ist er zu Hause. Er betrachtet seine Gäste als Familie und die lieben ihn dafür. Ich bin wirklich gerne hier. Der Trubel ist genau richtig. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Als ich noch sehen konnte, habe ich mir hier oft Inspiration geholt.“
Eine junge Frau, ebenfalls Italienerin, kam an den Tisch, reichte ihnen Speisekarten und nahm die Getränkewünsche auf.
„Habe ich davon was gesehen?“, fragte Marlene. „In deiner Ausstellung vielleicht?“
„Ich habe fast alles verkauft, außer dem Mädchen mit dem Schleier. Das konnte ich nicht hergeben.“ Patrick nahm ihre Hand und streichelte sie mit seinen Fingern. „In der Nähe ist ein kleines Schloss, auf dem geheiratet werden kann. Das Modell für meine Skulptur und ihr Verlobter waren für ein Probeessen hier, da habe ich sie das erste Mal gesehen. Dante hat mir später gesagt, dass er den Auftrag für die Gesellschaft bekommen hat und mich als Fotograf reingeschmuggelt.“ Sein
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