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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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hatte Anneke am Telefon gesagt. Und dass sie sich trennen wollte, wenn sich ihr Eindruck bestätigte, dass Florin nicht mehr wusste, wo er hingehörte.
    War das passiert?
    Sie drehte sich zur Seite. Lauschte, ob sie ihn von draußen vielleicht schnarchen hörte.
    Nein, kein Ton. War er denn noch da? Sie konzentrierte sich, obwohl sie spürte, wie ihr die bewusste Welt zu entgleiten begann, langsam, dann immer schneller …
    «Bea?»
    Schlagartig war sie wach. Hatte sie überhaupt geschlafen?
    «Was ist … ist etwas passiert?» Die Leuchtanzeige des Radioweckers zeigte fünf Uhr zwölf. Dann musste sie geschlafen haben, auch wenn es sich nicht so anfühlte.
    «Ja. Mich hat eben die Zentrale angerufen. Es ist ein Toter gefunden worden, wir müssen da hin.»
    «Oh Gott.» Sie rieb sich das Gesicht mit beiden Händen in der Hoffnung, das wunde Gefühl der Übermüdung loszuwerden. «Weißt du etwas Genaueres? Sieht es wieder nach Selbstmord aus?»
    Trotz der Dunkelheit sah sie ihn den Kopf schütteln. «Nein, diesmal nicht. Aber es kann sein, dass es ein Unfall war.» Er fuhr sich durchs Haar. «Wir müssen auf den Kapuzinerberg, die Leiche liegt bei der Kreuzigungsgruppe.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel fünfzehn
    D ie Stadt erwachte nur widerwillig, und Beatrice fühlte mit ihr. Ihre Mechanismen funktionierten, aber jeder Schritt war mühsam, fast als müsse sie sich durch flüssigen Teer kämpfen.
    Florin hatte sie überzeugen wollen, wenigstens ein Stück Brot zu frühstücken, doch daran war nicht zu denken gewesen. Ihr Magen war ein verkrampfter Klumpen, der schon auf das pflichtschuldig getrunkene Glas Wasser empfindlich reagiert hatte.
    Sie hatten Florins Auto genommen und kamen schnell voran. Noch war der Morgen dunkel. Um diese Zeit begegneten einander die Frühaufsteher und die Spätheimkehrer.
    «Wir sagen einfach, ich hätte dich abgeholt. Wenn es dir recht ist.» Florin warf Beatrice einen fragenden Blick zu. «Falls jemand fragen sollte. Vogt hat eine Schwäche für Tratsch, wusstest du das?»
    «Ist mir noch nicht aufgefallen.» Er war es gewesen, der Beatrice über die Erkrankung von Hoffmanns Frau informiert hatte, aber das musste man nicht unbedingt Tratsch nennen. «Ich finde auch, dass sie nicht wissen müssen, wo du übernachtet hast.»
    Sie bogen auf die Kapuzinerbergstraße ein, die in völliger Dunkelheit vor ihnen lag. Der Berg wuchs mitten aus der Stadt heraus, ein Stück Wildnis, das sich in der Zivilisation aufbäumte. Kaum Häuser, Licht gab es nur entlang der Straße. Die Scheinwerfer des Wagens schreckten ein Tier auf, dessen Augen ihnen einen Herzschlag lang hellgrün entgegenleuchteten, bevor es die Flucht ins nächste Gebüsch antrat.
    Ein Marder vielleicht.
    Beatrices Hals fühlte sich rau an. Mehrfaches Schlucken machte es nicht besser. Hoffentlich waren das nicht die ersten Anzeichen einer Erkältung. Krank zu werden, das fehlte ihr jetzt noch. «Kennen wir eigentlich schon die Identität des Opfers?»
    «Nein. Ich habe wirklich nur das Nötigste erfahren, der Tote ist vor kaum zwanzig Minuten gefunden worden. Offenbar gibt es tatsächlich Leute, die um fünf Uhr morgens joggen gehen.»
    Sie parkten vor dem Kapuzinerkloster, wo schon zwei Beamte in Uniform auf sie warteten. Ein weiterer saß auf einer Bank ein Stück abseits, neben einer in sich zusammengesunkenen Gestalt.
    Hinter einigen der Klosterfenster brannte Licht, natürlich, Mönche waren Frühaufsteher. Beatrice atmete einmal tief durch, bevor sie die Autotür öffnete. Sie trat zu den uniformierten Kollegen und stellte sich vor, dann deutete sie auf die Bank. «Ist das der Zeuge, der den Toten gefunden hat?»
    «Ja.» Der Mann räusperte sich. «Die Zeugin, um genau zu sein.»
    Sie hatten der Frau eine Decke um die Schultern gewickelt, trotzdem sah Beatrice beim Näherkommen, dass sie zitterte. Oder weinte.
    «Hallo. Ich bin Beatrice Kaspary. Ich gehöre zu dem Team, das sich darum kümmern wird, die Todesumstände des Mannes zu klären, den Sie gefunden haben.»
    Die Frau blickte auf. Sie war Ende zwanzig, höchstens, und trug einen dunkelblauen Jogginganzug mit farblich passenden Nike-Laufschuhen. «Ich habe mich nicht getraut, ihn anzufassen», stammelte sie. «Dabei habe ich einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht. Es tut mir so leid.»
    Beatrice ging neben ihr in die Hocke. «Hat er denn noch gelebt, als Sie ihn gefunden haben?»
    Kopfschütteln. «Glaube ich nicht. Aber … wer weiß. Ich hätte genau nachsehen sollen

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