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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Weg führen und beobachtete Drasche und Vogt dabei, wie sie ihre Arbeit taten. Fühlte sich innerlich wie erstarrt.
    Lass das Rätselraten, hatte Ehrmann ihr empfohlen. Lass auch die Sache mit den Fotos und den Andeutungen in der Gruppe. Zu deinem eigenen Besten.
    Er selbst war ganz offensichtlich weniger vorsichtig gewesen. Verrückterweise musste Beatrice an seine Schüler denken und daran, wie sie die Nachricht aufnehmen würden. Sie rieb sich den Nacken, ohne die Augen von Ehrmann zu lassen, dessen Zustand jetzt, da Drasche seinen Scheinwerfer aufgestellt hatte, schmerzhaft deutlich zutage trat. Das Blut in seinem Gesicht war zum Teil bereits geronnen und wirkte auf seiner fahlen Haut fast schwarz.
    «Es muss eine Mordwaffe geben», rief Vogt, als wäre das eine gute Nachricht. «Ein hartes Objekt mit einer scharfen Kante. Nicht so scharf wie eine Axt, nichts mit einer Schneide. Ich denke eher an eine Art – Brecheisen.»
    Allmählich ging die Sonne auf. Von ihrer Position aus konnte Beatrice sie nicht sehen, sehr wohl aber das orangefarbene Licht, das die Bäume berührte, erfasste und schließlich umschloss. Nicht mehr lange, und das Licht würde auch Ehrmanns Körper erreichen, um dort den Kampf gegen Drasches grelles Scheinwerferlicht zu verlieren. Sie wandte sich ab.
    Die Joggerin war von den Kapuzinern hineingebeten worden, sie saß an einem schlichten Holztisch im Refektorium, neben sich an der Wand ein überdimensionales Kreuz, vor sich eine Tasse Tee. Um die Schultern trug sie immer noch die Decke, die sie bis zur Nase hochgezogen hatte.
    «Fühlen Sie sich schon besser?» Es tat Beatrice gut, sich um das Befinden eines anderen zu kümmern. Das lenkte von ihrem eigenen ab.
    «Nein.» Die Frau hob den Blick. «Ich hätte nicht gedacht, dass mich das so umhauen würde. Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich erschrocken bin, als ich ihn dort habe liegen sehen.» Neue Tränen traten ihr in die Augen.
    Sie setzten sich ihr gegenüber, Florin beugte sich zu ihr vor. «Würden Sie uns Ihren Namen sagen?»
    «Tamara Lohberger.»
    «Ich bin Florin Wenninger. Meine Kollegin heißt Beatrice Kaspary, und wir sind von der Abteilung Leib und Leben des Landeskriminalamts.» Die Art, wie er Vertrauen aufbaute, indem er seiner Stimme diesen gewissen Klang verlieh, würde Beatrice ewig in Staunen versetzen.
    «Erzählen Sie uns bitte, was genau Sie gesehen haben.»
    Lohberger sammelte sich, fixierte abwechselnd die Tischplatte und Florins Gesicht. «Ich laufe oft morgens den Weg hinauf zum Kloster, deshalb habe ich mich kaum umgesehen. Ich kenne die Gegend in- und auswendig, ich habe mich nur aufs Laufen konzentriert. Und auf die Musik.» Sie zog einen roten I-Pod aus ihrer Jackentasche. «Zum Schluss sprinte ich aber immer die Treppen zu den Kreuzen hoch … und ich wäre –» Sie unterbrach sich, sah zur Seite. «Wäre fast in das Blut getreten. Es tut mir so leid, ich habe mir den Mann gar nicht mehr angesehen, ich bin einfach nur weg. Ich glaube, ich habe geschrien, das weiß ich aber nicht genau. Einer der Pater ist dann aus dem Kloster gekommen, er hat auch die Polizei gerufen.»
    «Haben Sie sonst jemanden gesehen? Ist Ihnen weiter unten auf dem Weg vielleicht jemand entgegengekommen?»
    Sie schüttelte entschieden den Kopf. «Nein, ganz bestimmt nicht. Ich war völlig allein.» Der Nachhall dieser Worte schien ihr Unbehagen zu bereiten. «Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder hier werde laufen können.»
    «Versuchen Sie, sich zu erinnern», ermutigte Florin sie weiter. «Gab es nicht irgendetwas, das anders war als sonst?»
    Tamara Lohberger verschränkte ihre Finger ineinander, sichtlich bekümmert, dass sie nichts Hilfreiches beitragen konnte. «Es war alles wie immer. Ich habe aber auch nicht auf die Umgebung geachtet. Nur auf meinen Puls.» Sie hielt inne. «Das Einzige … nein, vergessen Sie’s, das ist unwichtig.»
    «Nichts ist unwichtig. Bitte.»
    «Also – der Kreuzweg. Der besteht aus sechs Kapellen, das wissen Sie ja sicher. Und eine davon – die kam mir heute schmutzig vor, das war sie gestern noch nicht. Als würde Dreck dran kleben. Kann aber auch ein Schatten gewesen sein. Ich habe nur kurz hingesehen.»
    «Das werden wir uns auf jeden Fall ansehen», erklärte Florin. «Können Sie sich erinnern, welche der Kapellen es war?»
    Sie verzog den Mund, während sie überlegte. «Die vierte oder fünfte, schätze ich. Schon ziemlich weit oben.»
    «Vielen Dank.» Florin drückte der

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