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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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schließen, fände ich sehr gewagt.»
    Fände ich auch, dachte Beatrice, wenn da nicht die Jacke wäre und der Zeitpunkt des Todes. Die Stimme am Telefon mit dem Balkanakzent. Sie räusperte sich. «Ich bin trotzdem überzeugt davon, dass es einen Zusammenhang zwischen Dulović und den beiden Toten im Wald beim Campingplatz gibt. Der Anrufer, der behauptete, mehr über Pallauf und Beckendahl zu wissen, hat seine Jacke beschrieben, und demnach sah sie genauso aus wie die von Dulović.»
    Hoffmann öffnete den Mund, aber Beatrice ließ ihn nicht zu Wort kommen. «Der Anrufer klang, als wäre ihm sein Anliegen sehr wichtig, aber dann ist er nicht am von ihm selbst vorgeschlagenen Treffpunkt erschienen. Meiner Ansicht nach wurde er abgefangen und aus dem Weg geschafft, damit er uns nicht verraten kann, wer Pallauf und Beckendahl wirklich getötet hat.»
    Sie wappnete sich für die unsachliche Bemerkung, die Hoffmann zweifellos gleich vom Stapel lassen würde. Heben Sie sich Ihre Phantasie doch für Gutenachtgeschichten auf, Ihre Kleinen werden sich freuen.
    Aber er schüttelte nur matt den Kopf. «Wir haben hier sehr wahrscheinlich auf der einen Seite Mord und Selbstmord und auf der anderen einen ertrunkenen Junkie. Manchmal sind die Dinge ganz einfach, Kaspary, nicht jeder Fall kann Futter für Ihren Spieltrieb sein.»
    Aha. Hoffmann hatte es also doch noch nicht verlernt. Sie ging über den Seitenhieb hinweg. «Was ist mit der gestohlenen Pistole? Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie Pallauf daran gekommen sein soll, es gibt auch keinerlei Hinweis darauf, dass er eine Waffe besessen hätte – fragen Sie Drasche. Und dann noch der Papierschnipsel in Beckendahls Fingern …»
    Hoffmann schlug plötzlich mit der flachen Hand auf den Tisch. «Das kann doch wohl nicht wahr sein. Der Rest eines Flugzettels, einer Wegbeschreibung, die sie sich ausgedruckt hat – Sie können aus einem Papierschnipsel doch keinen Doppelmord konstruieren.»
    Es war nicht sein Ton, der Beatrice irritierte, es war seine ungewohnte Einstellung. Man konnte Hoffmann vieles vorwerfen, aber nicht, dass er sich Herausforderungen nicht stellen wollte. Normalerweise trieb er seine Mitarbeiter bis zur Erschöpfung an, damit sie auch noch die letzten Winkel eines Falles durchleuchteten. Dass er alles, was sie ihm eben auf den Tisch gelegt hatten, als Zufall abtat, machte Beatrice stutzig.
    «Es tut mir leid, aber ich bin der gleichen Meinung wie Kollegin Kaspary», unterbrach Florin ihre Gedanken. «Zu vieles ist noch ungeklärt, etwa die Frage, was Beckendahl bei Pallauf wollte. Und wie kam sie darauf, einfach so bei ihm hereinzuschneien? Wir haben absolut keine Ahnung davon, was die beiden in den Tagen vor ihrem Tod gemacht haben. Den Fall bereits jetzt als aufgeklärt zu betrachten, das scheint mir unver–»
    «Ja, ja», bellte Hoffmann. «Kaspary liegt natürlich richtig, sicher, etwas anderes habe ich von Ihnen doch noch nie gehört. Die heilige Beatrice.» Er sprang auf. «Gut, dann suchen Sie eben weiter, aber ich will Ergebnisse sehen. Schnell. Hirngespinsten nachzulaufen, das können wir uns nicht leisten.»
    Damit war er aus der Tür. Beatrice sah ihm nach mit dem deutlichen Gefühl, etwas verpasst, etwas nicht begriffen zu haben. War da jemand, der Hoffmann im Nacken saß? Ihn unter Druck setzte?
    «Haben Sie Nachsicht mit ihm.» Vogt hatte den Blick nicht von den Fotos abgewendet, deshalb dachte Beatrice im ersten Moment, er spräche über den obduzierten Rajko Dulović. «Es ist seine Frau, und er weiß es erst seit drei Tagen. Lungenkrebs.»
    Sie hatte nicht damit gerechnet, aber dieses neue Wissen bedrückte Beatrice den ganzen restlichen Tag lang.

    Kurz nach Mittag lief Beatrice Peter Kossar über den Weg. Sein blitzblaues Brillengestell stand in schmerzhaftem Kontrast zu dem Rot seiner Krawatte. Er grüßte, freundlich wie immer, aber sichtlich in der Erwartung, dass Beatrice es beim üblichen kurzen Nicken belassen würde. Was sie gern getan hätte, aber im Moment konnte sie jeden Denkanstoß gebrauchen, auch wenn er von Kossar kam.
    «Haben Sie einen Moment Zeit für mich?»
    Sein Gesicht hellte sich auf. «Aber natürlich. Gehen wir in Ihr Büro?»
    Ohne die Antwort abzuwarten, machte er sich auf den Weg, lief voraus und hatte, als Beatrice den Raum betrat, bereits saubere Tassen an die Espressomaschine gestellt. Florin schien völlig in die Unterlagen auf seinem Schreibtisch versunken zu sein.
    Kossar blinzelte Beatrice

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