Blinde Wahrheit
mal.«
»Ach komm, hör doch auf«, grollte Ezra. »Du weißt genauso gut wie ich, dass es einen Zusammenhang gibt.«
»Nein. Ich nehme es lediglich an, was nicht heißt, dass es auch den Tatsachen entspricht.«
Ezra lehnte sich gegen den Türrahmen und vergrub die Fäuste in den Taschen seiner Jeans. »Und warum willst du dieses Risiko dann eingehen?«
Sie fluchte leise vor sich hin und nahm ihre Brille ab. Sich die Nasenwurzel reibend, fragte sie: »Was für ein Mensch tut einer Frau so etwas an, Ezra? Was hat er davon? Warum macht er das?«
»Ich bin kein Profiler, Schätzchen. Da fragst du den Falschen.«
Ein freudloses Lächeln erschien auf ihren Lippen, und sie ließ sich gegen die Sofalehne sinken. »Versuch’s doch mal, Süßer, mir zuliebe. Du bist vielleicht kein Profiler, aber du bist ein Cop und ein kluger Kerl. Erzähl mir nicht, du hättest keine Recherche betrieben … schließlich warst du vorhin an meinem Computer, stimmt’s?«
Ezra seufzte. »Ein großes Ego. Allmachtsfantasien. Es gibt viele verrückte Gründe, aus denen jemand zum Mörder werden kann. Etwa das Verlangen, andere zu beherrschen – sie in Angst und Schrecken zu versetzen. Das ist nicht so, als würde man ein verdammtes Polaroidfoto schießen, Lena. Profiling ist eine ziemlich komplizierte Angelegenheit, und es geht über meine Fähigkeiten hinaus.«
»Das Verlangen, andere zu beherrschen«, wiederholte sie und wandte ihm das Gesicht zu. Mit ihren kristallblauen Augen starrte sie knapp an seiner Schulter vorbei. Es war ein wissender Blick, in dem eine Erkenntnis lag, die sie, wenn es nach ihm gegangen wäre, nie gehabt hätte. »Sie in Angst und Schrecken zu versetzen.«
Er presste die Zähne zusammen und beobachtete, wie sie sich die Brille wieder aufsetzte. Sie war ihre Rüstung, ihre Maske, und das in so vielerlei Hinsicht.
»Glaubst du, er hat es deshalb getan? Um ihr Angst einzujagen? Ihr wehzutun?«
»Sagte ich nicht gerade, dass ich mich nicht mit Profiling auskenne? Ich war im Einsatz gegen das organisierte Verbrechen, Lena. Fälle wie dieser sind nicht mein Fachgebiet.«
»Komm schon, tu mir den Gefallen.«
»Na schön«, knurrte er. »Ja, ich kann mir vorstellen, dass das seine Motivation war – zumindest zum Teil.« Zum Großteil , gestand er sich selbst ein. »Er wollte sie beherrschen – es ging nicht um Rache oder Gewalt, sondern um Kontrolle.«
»Indem ich hierbleibe, in meinem netten, ach so sicheren Haus, lasse ich ihn gewinnen«, sagte Lena, wobei sie aufstand. Sie rief nach Puck und ging an Ezra vorbei in den Flur. Dann tastete sie am Garderobenhaken nach der Hundeleine und dem Geschirr. »Auf keinen Fall lasse ich mir aus Angst vor irgendeinem kranken Schwein meine Unabhängigkeit nehmen, Ezra. Du hast keine Ahnung, wie hart ich für das alles gekämpft habe. Ich lass mich nicht in diesem Haus einsperren – ich habe einen Job. Ich habe ein Leben.«
»Glaubst du vielleicht, mir gefällt das alles?«, fuhr er sie an und starrte wütend auf ihren schmalen Rücken, während sie den Hund anleinte.
»Es spielt keine Rolle, was dir gefällt. Ich werde nicht zu Hause bleiben. Ich habe einen Job, also gehe ich auch arbeiten.« Sie erhob sich und wandte sich zu ihm um. »Bringst du mich oder soll ich Carter anrufen?«, fragte sie mit hochgezogener Augenbraue.
Ezra ballte die Fäuste, schloss die Augen und holte tief Luft. Doch im Stillen bis zehn zu zählen, half ihm nicht im Geringsten.
Als er Lena wieder anschaute, hatte sie ein belustigtes Lächeln auf den Lippen. »Na, stelle ich deine Geduld auf die Probe?«
»Allerdings. Verflucht, Lena!«
»Du kannst nicht von mir erwarten, dass ich zu Hause bleibe, weil irgendeine Frau, die ich noch nicht einmal kannte, ein paar Kilometer entfernt von hier tot aufgefunden wurde«, sagte sie ruhig.
»Genau … und zwar auf einem Privatgrundstück – dem deines besten Freundes. Das Ganze passiert kurz nachdem du der Polizei seltsame Schreie gemeldet hast. Jetzt ist eine Frau tot – wahrscheinlich die Frau, die du schreien gehört hattest. Erzähl mir nicht, dass dich dieser ganze kranke Mist nicht aus der Bahn wirft.«
»Das behaupte ich ja gar nicht. Ich bin völlig neben der Spur, aber deswegen werd ich noch lange nicht meinen Job hinschmeißen!«, erwiderte sie mit lauter Stimme. »Verdammt, Ezra – du kennst mich erst ein paar Wochen und seit Kurzem gehen wir miteinander ins Bett. Mich zu vögeln gibt dir nicht das Recht, darüber zu bestimmen, ob ich
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