Blinde Wahrheit
zur Arbeit gehe oder nicht.«
»Einen Scheißdreck will ich bestimmen«, blaffte er. »Und es hat nichts damit zu tun, dass ich dich vögele. Ich glaube, ich bin irgendwie in dich verliebt, und ich hab tierische Angst, dir könnte was zustoßen, wenn ich … nicht … Scheiße.«
Das Blut schoss ihm in den Kopf. Er wandte sich ab und rieb sich das Gesicht.
Scheiße.
Scheiße.
Scheiße.
Hatte er wirklich gerade …
Scheiße.
Ja, das hatte er wirklich.
Er brummte irgendetwas vor sich hin, ging zur Treppe, setzte sich auf die unterste Stufe und stützte den Kopf in die Hände.
»Was … ähm … was hast du da gerade gesagt?«
»Hast du mir nicht mehrfach erzählt, dass deine Ohren einwandfrei funktionieren?«, schnauzte Ezra. Dann seufzte er. »Ach, verdammt. Es tut mir leid. Hör mal, ich benehme mich wie der letzte Depp, ich weiß. Tut mir leid. Ich bin einfach … «
Als er ihre leisen Schritte hörte, schaute er auf und beobachtete, wie sie auf ihn zukam. »Vielleicht sind meine Ohren doch nicht so gut, wie ich immer dachte«, sagte sie mit unergründlicher Miene.
»Lena … «
Sie kniete sich vor ihm hin.
Ezra sah sein verschwommenes Spiegelbild in den Gläsern der Brille, hinter der sie sich versteckte. Er nahm sie ihr ab und legte sie beiseite. »Ich hasse das Teil, weißt du das?«, sagte er leise.
»Ich mag es nicht, wenn die Leute mich anstarren.«
»Die Brille hindert sie auch nicht daran«, flüsterte er, legte ihr die Hände auf die Wangen und küsste sie erst auf das eine, dann auf das andere Augenlid. »Die Leute sind entweder gestört, dumm, grausam oder neugierig … daran ändert die Brille nichts. Du willst dich bloß dahinter verstecken.«
Sie schlang die Finger um seine Handgelenke. »Nettes Ablenkungsmanöver, aber ich habe dich etwas gefragt. Was hast du eben gesagt?«
Er brachte die Worte nicht heraus. Sie wollten ihm einfach nicht über die Lippen gehen. Es war ihm leichter gefallen, den Satz in einem Anfall von Sorge und Wut herauszubrüllen. Jetzt allerdings, da sie so dicht vor ihm hockte und dieser sanfte, fast verwunderte Ausdruck in ihren Augen lag … machte sein Herz einen eigenartigen Sprung. Er beugte sich vor und gab ihr einen Kuss. »Ich bin anscheinend gerade dabei, mich in dich zu verlieben. Ich wollte das nicht und habe es ganz sicher nicht geplant, aber so ist es nun mal, und verflucht noch eins, Lena, es würde mich umbringen, wenn dir was zustieße.«
Sie seufzte dicht an seinem Mund, woraufhin Ezra zart an ihrer Unterlippe knabberte. Als sie ihm nachgab, schlang er einen Arm um ihre Taille und zog sie auf seinen Schoß.
Sie war nicht vor ihm zurückgewichen.
Hatte ihn nicht hochkant aus dem Haus geworfen.
Das war doch schon mal was. Abgesehen davon, wie ungeschickt er es herausgebracht hatte, war das eigentlich gar nicht schlecht … oder?
»Du kennst mich seit fünf Wochen, Ezra, länger nicht. Und du hast selbst gesagt, dass du vor Kurzem … eine furchtbare Erfahrung gemacht hast«, sagte sie leise und nahm sein Gesicht in beide Hände. »Wie kannst du glauben, dass du mich liebst?«
Er legte ihr eine Hand aufs Herz. »Ich habe mich wohl schon am allerersten Abend in dich verliebt. Du bist rot geworden, als ich dir ein Kompliment gemacht habe … und dann hast du dein Abendessen mit mir geteilt. Du warst so nervös, als ich dich um ein Date bat, und ich hatte furchtbare Angst, du würdest Nein sagen.« Er fuhr mit der Hand hinauf bis zu ihrem Hals und hob mit dem Daumen ihr Kinn an. »An dem Abend hab ich mich in dich verliebt, Lena. Deswegen habe ich dann wohl auch einen Rückzieher gemacht … Wahrscheinlich dachte ich, ich könnte nicht damit umgehen.«
»Und woher willst du wissen, ob du jetzt damit umgehen kannst?«
»Oh, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das nicht kann. Aber wenn ich immer warten würde, bis ich wüsste, wie ich damit umgehen soll, dann könnte ich nie etwas wagen«, murmelte er und küsste sie sanft. »Wenn es passiert, passiert es eben – egal ob man dafür bereit ist oder nicht.«
Sie seufzte und lächelte leicht. »Das klingt irgendwie … na ja, romantisch, Ezra. Hätte ich gar nicht von dir gedacht.«
»Hmmm.« Er hob den Kopf und lächelte sie an. »Oh, ich kann ein großer Romantiker sein.«
Er schob die Hände unter ihr Oberteil und streichelte ihre Brüste durch die spitzenbesetzte Seide hindurch. Sie gab einen kehligen, genießerischen Laut von sich – ein Geräusch, bei dem ihm alles Blut aus dem Kopf
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