Blinde Wahrheit
hervor.
»Wir schließen noch nicht.«
»Aber das Restaurant ist menschenleer. Wenn jemand kommt, serviert ihm Snacks und sagt ihm, ich hätte die Küche vollgekotzt – oder was auch immer – , ich gehe jedenfalls jetzt«, gab sie zurück.
»Lena, dir ist anzumerken, dass du verärgert bist … «
Verärgert – Herrgott noch mal, wenn jemand sie noch ein Mal als verärgert bezeichnen sollte, würde sie demjenigen die Augen auskratzen.
Ohne zu bemerken, dass Lena kurz vorm Explodieren stand, fuhr Carter fort. »Wir sind zwar befreundet, aber trotzdem bist du eine Angestellte. Wenn du krank bist, habe ich Verständnis, doch wenn nicht … «
»Was dann?«, fragte sie scharf.
»Lena, lass uns darüber reden«, bat Roz.
»Ich will nichts mehr hören!«, schrie sie. »Wir zwei haben hier nichts mehr zu bereden.«
Pucks Knurren wurde lauter. Scheiße. Sie machte ihren Hund nervös.
»Lena, wo auch immer das Problem liegt, sprich nicht so mit meiner Frau! Und du kannst auch nicht einfach so mitten in deiner Schicht verschwinden.«
»Und wenn ich es doch tue, verdammt noch mal?« Sie tätschelte Puck den Kopf. »Was willst du machen, wenn ich durch diese Tür gehe? Mich feuern? Nur zu! Ich bleibe jedenfalls keine Minute länger hier – sonst sage ich noch etwas, das ich hinterher bereue.«
Ehe er antworten konnte, war sie gegangen.
»Was war das denn?«
Mit offenem Mund drehte Roz sich zu ihrem Mann um. Ihr gequälter Gesichtsausdruck versetzte ihm einen Stich ins Herz. Seufzend durchquerte Carter die Küche, legte Roz einen Arm um die Schultern und zog sie an sich.
»Schatz, was war das gerade?«, wiederholte sie ihre Frage. »Ich … oh Mann, ich versteh das nicht. Wir haben uns noch nie derartig gestritten. So hat sie sich noch nie benommen.«
»Was war denn der Auslöser?«
Roz schniefte. »Ich.« Dann fing sie an zu weinen. »Ich kann einfach nicht anders. Ich habe Angst, mache mir Sorgen. Und … na ja, all diese Gerüchte um Law, eigentlich glaube ich nicht, dass er es war, aber was wenn doch? Sie verbringt so viel Zeit mit ihm und … « Roz schluchzte in sein Hemd.
Carter schmiegte seine Wange an ihre kurzen, weichen Locken. »Ist ja gut, Liebling. Ich kann dich verstehen. Wir haben ihn alle gern. Niemandem gefällt der Gedanke, dass er so etwas getan haben könnte. Und er war es bestimmt auch nicht. Trotzdem machen wir uns eben Sorgen.«
Sie hörte nicht auf zu weinen.
Er stand einfach nur da, hielt sie im Arm und streichelte ihr über den Rücken. Mehr konnte er nicht tun.
Alle in seiner netten, ruhigen kleinen Stadt waren übergeschnappt, stellte Remy bestürzt fest.
Es war früh am Freitagmorgen. Eigentlich hätte er in seinem Büro sitzen sollen, doch stattdessen stand er vor der Eingangstür des Bistros und kam nicht weg. In der linken Hand hielt er seine Laptoptasche, in der rechten einen Becher Kaffee, der bereits abgekühlt war.
Ohne sich seinen Missmut anmerken zu lassen, erwiderte er Deb Sparks ’ Blick und versuchte dahinterzukommen, was genau sie von ihm hören wollte.
»Nun?«, hakte sie mit schriller, durchdringender Stimme nach.
Aus ihren blassblauen Augen starrte sie ihn an. Die gestrafften Schultern und ihr vorgerecktes Kinn verrieten ihm, dass sie ihn nicht gehen lassen würde, ehe sie eine Antwort erhalten hatte.
Und damit war sie keineswegs allein.
Sie hatte vier weitere Personen hinter sich.
Earl Prather stand nur wenige Meter entfernt. Der Mann verfolgte das Geschehen für Remys Geschmack ein bisschen zu belustigt. »Miss Sparks, ohne Beweise kann ich keinen Haftbefehl ausstellen«, sagte Remy. Diesen simplen Sachverhalt hatte er ihr nun schon dreimal erklärt.
»Sie haben doch Beweise«, blaffte sie.
Remy wäre fast zusammengezuckt. Mit ihrer Stimme konnte sie Glas zum Zerspringen bringen, jede Wette.
»Nein, haben wir nicht. Es gibt lediglich eine tote Frau, die offensichtlich nach dem Ableben an den Fundort gebracht worden ist. Als sie dort abgelegt wurde, hielt sich Law Reilly nicht auf seinem Grundstück auf. Er befand sich zum Zeitpunkt ihres Todes in einem anderen Bundesstaat.«
Sie machte große Augen. »Man kann die Gerichtsmediziner austricksen, wissen Sie? Man kann die Leiche auf Eis legen und all solche Sachen. So was sieht man immer wieder bei Court TV , CSI Miami und Law & Order. Nur weil er behauptet, woanders gewesen zu sein, muss das noch lange nicht der Wahrheit entsprechen. Haben Sie nach Eis gesucht? Haben Sie das?«, erwiderte sie in
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