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Blinde Wahrheit

Blinde Wahrheit

Titel: Blinde Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shiloh Walker
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den Schauplatz eines verfluchten Albtraums verwandelt.
    Ezra stieg aus seinem Pick-up und beobachtete, wie Augenpaare auf ihn gerichtet und wieder abgewandt wurden, sobald er die Leute direkt ansah – nur um ihm wieder bohrende Blicke zuzuwerfen, als er ihnen den Rücken zudrehte und das Bistro betrat.
    Es war Donnerstagnachmittag und er hatte einen Bärenhunger. Im Bistro würde er noch am ehesten eine anständige Mahlzeit bekommen, es sei denn, er führe zum Inn hinaus. Obwohl Lena und er sich wieder vertragen hatten, wollte er ihr lieber nicht das Gefühl vermitteln, er würde sie rund um die Uhr beobachten.
    Auch wenn es ihm schwerfiel zu widerstehen.
    »… nicht im Gefängnis sitzt. Das verstehe ich einfach nicht.«
    »Keine Beweise. Heutzutage brauchen sie für alles Beweise. Es ist eine Schande.«
    Ezra hütete sich davor, den Kopf in die Richtung zu drehen, aber das brauchte er auch gar nicht. Schließlich hatte er die ganze letzte Woche über nichts anderes gehört.
    Die halbe Stadt wollte Law am liebsten lynchen.
    Obwohl er verreist gewesen war.
    Himmel, was hätten sie wohl getan, wenn er hier gewesen wäre?
    Schwer zu sagen.
    Ihm verging der Appetit. Stattdessen hatte er das Gefühl, einen Stein im Magen zu haben. Doch Ezra blieb sitzen. Law war ebenso wie Lena nicht oft in der Innenstadt, und Ezra selbst kannte die Gepflogenheiten im Ort noch nicht so richtig. Wenn er also hören wollte, was getratscht wurde, dann musste er es auf die klassische Art tun.
    Er musste Mäuschen spielen.
    »Was braucht er denn noch für Beweise? Schließlich haben sie die … die … Leiche gefunden.«
    »Sie soll ja auch geschändet worden sein.«
    Ezra verzog den Mund. Geschändet. Was für ein kultivierter Ausdruck für das, was diesem Mädchen angetan worden war. Die reinste Beschönigung – das klang eben besser als vergewaltigt. Missbraucht. Gefoltert. Geschlagen.
    »Was kann ich Ihnen bringen?«
    Er sah auf und begegnete dem neugierigen Blick der jungen Kellnerin.
    Sie erblasste und wich einen Schritt zurück.
    Ezra atmete tief durch, setzte eine freundliche Miene auf und schenkte ihr ein schiefes Grinsen. »Tut mir leid, ich war mit den Gedanken gerade woanders. Bringen Sie mir einfach das Mittagsmenü.«
    Es spielte ohnehin keine Rolle. Was auch immer sie ihm servieren sollte, es würde wie Sägemehl schmecken, wie Sägemehl die Kehle hinunterrutschen und ihm dann wie mit Blei vermischtes Sägemehl im Magen liegen.
    Als sie wieder ging, nahm er das Handy von seinem Gürtel und sah nach der Uhrzeit.
    Es war gerade mal kurz nach vier.
    Noch gute vier Stunden lagen vor ihm, bis er zum Inn fahren konnte, und sechs Stunden, bis er Lena dort herauszerren, sie nach Hause bringen, ihr die Klamotten vom Leib reißen und mit ihr ins Bett gehen konnte.
    In ihren Armen würde er vielleicht endlich Schlaf finden, seine Kopfschmerzen vergessen, ebenso wie die Last auf seinen Schultern und das Rätsel um die Leiche des Mädchens.
    Das Mädchen, das immer noch namenlos war.
    »Wir haben einen Namen«, eröffnete Nielson mit ruhiger Stimme den wenigen Männern, die er für dieses Team ausgewählt hatte. »Es gab irgendeinen Fehler im System, sonst hätten wir schon viel früher davon erfahren – diese Frau ist seit drei Wochen als vermisst gemeldet.«
    Er versuchte mit einem kleinen Kreis von Leuten unauffällig zu ermitteln – nur ein Fehltritt, und jemand könnte versuchen, ihm den Fall wegzunehmen. Doch die Erinnerung an ihr Gesicht …
    Reiß dich zusammen, Nielson. Konzentrier dich. Du hast einen Job zu erledigen.
    »Wir haben einen Namen«, wiederholte er. »Jolene Hollister, neunundzwanzig Jahre alt. Verlobt. Vor einundzwanzig Tagen ist sie im Cherokee Park in Louisville, Kentucky, verschwunden. Dort wollte sie joggen gehen. Ihr Auto, die Handtasche und den Schlüssel hat ihr Verlobter gefunden, der sie als vermisst gemeldet hat. Ich versuche immer noch, ihre Familie zu erreichen. Ihre einzige lebende Verwandte ist eine Cousine – und die lebt irgendwo im Ausland.«
    Er nahm ein Foto von Jolene aus der Akte und betrachtete es.
    Jung. Hübsch.
    Sie sah aus, als hätte sie ihr ganzes Leben noch vor sich.
    Doch nach dieser Aufnahme waren ihr nur wenige Monate geblieben.
    Er presste die Zähne zusammen und heftete das Bild mit ihrem lächelnden Gesicht an die Pinnwand, neben eines der Fotos vom Tatort.
    Der Unterschied zwischen beiden Aufnahmen war schon fast pervers.
    Und etwas störte ihn an ihr, doch vorerst wollte er

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