Blinde Wahrheit
Kopf kriegen.« Selbst wenn ihr das in den nächsten vierundzwanzig Stunden niemals gelingen konnte. Am Tag zuvor noch hatte sie wirklich, wirklich vorgehabt, zu seinem Haus zurückzufahren.
Doch irgendetwas an der Begegnung mit dem Deputy und diesem seltsamen und verkrampften Gespräch danach hatte sie nervös gemacht.
Und dann war da noch dieser Kerl gewesen. Der Blonde. Warum hatte er so viel in ihr ausgelöst? Was war da nur los gewesen?
Sie reagierte zurzeit so schreckhaft. Selbst als kurz zuvor im Nebenzimmer eine Tür geknallt hatte, war sie zusammengefahren und hätte sich beinahe unter ihrem Waschtisch versteckt.
Vielleicht würde sie nie wieder klarkommen, aber sie musste wenigstens versuchen, sich nicht so zu verhalten, als stünde sie bereits mit einem Bein in der Klapse.
Klapsmühle.
Uniformen.
Fast wie in alten Zeiten , dachte sie kopfschüttelnd.
»Hope?«
»Ja, bin noch dran. Sorry, war in Gedanken. Hör zu, ich werde kommen.«
»Und wann?«, fragte Law. »Das sagst du mir seit Monaten, und dann vergeht wieder eine Woche, ohne dass du auftauchst.«
Sie seufzte und rieb sich den schmerzenden Nacken. Sie konnte ihm nicht einmal genau erklären, warum sie noch nicht bei ihm war, zumal sie sich ja ganz in der Nähe aufhielt. Zudem hatte sie kaum noch Geld übrig. Ihr blieben noch ein paar traurige hundert Dollar.
Doch zunächst einmal musste sie sich beruhigen, vor allem nach dieser Geschichte am Tag zuvor. Und das würde ihr nicht während der kurzen Fahrt zu seinem Haus gelingen, so viel war klar. Sie sollte jedoch auf gar keinen Fall in diesem aufgewühlten Zustand dort ankommen.
»Hope?«
Sie schluckte schwer und schloss die Augen. »Ja?«
»Du kommst nicht mehr, oder?« Der ruhige, nüchterne Tonfall in seiner Stimme ließ sie zusammenzucken.
»Doch.« Sie ballte die freie Hand zur Faust und kämpfte gegen die Tränen an, die in ihr aufstiegen. »Doch, ich komme. Ich muss nur … Ich brauche noch ein paar Tage.«
Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, dann seufzte Law. »Klar. Wie auch immer.«
Aber sie wusste, dass er ihr nicht glaubte. »Ich bin bald da, Law.« Verdammt, sie konnte nicht ewig wegrennen. Sie musste irgendwann, irgendwo damit aufhören, und nun war der richtige Zeitpunkt dafür gekommen. »Ich bin bald da. Noch drei Tage, Law. In drei Tagen bin ich da.«
»Bist du sicher?«
»Ja, Law. In drei Tagen. Ich versprech’s dir.«
Ihm entfuhr ein tiefer Seufzer. »Okay. Gut.«
Sie hatte sein Bild vor Augen, als würde er bei ihr im Zimmer stehen, konnte förmlich sehen, wie er sich durchs Haar fuhr und sie anlächelte, wie immer, wenn er seinen Willen bekam. Und das war genau das, worum es bei der ganzen Sache eigentlich ging. Er machte sich Sorgen um sie, wollte sie an einem Ort wissen, an dem er sich um sie kümmern konnte, und das bedeutete wiederum, dass er sie bei sich haben wollte.
Wenn sie nicht so verzweifelt gewesen wäre, wenn sie an irgendeinen anderen Ort hätte gehen können … wenn es nicht wirklich, wirklich wichtig gewesen wäre, nun einen Freund bei sich zu haben, dann hätte sie niemals eingewilligt. Sie wollte keinem zur Last fallen und vor allem von niemandem abhängig sein.
Aber es war Law.
Wenn sie ihr Leben auf die Reihe bekommen wollte … Verflucht, welches Leben überhaupt?! Sie musste sich erst einmal wieder eines aufbauen, und dafür brauchte sie einen Freund, einen Job und ein Dach über dem Kopf. Und Law war ihr bester, ihr einziger Freund und bot ihr sogar einen Job an, durch den sie sich eine Unterkunft würde leisten können.
Wenn sie sich nicht einmal erlauben durfte, ihrem ältesten und besten Freund zur Last zur fallen, wem dann?
Vielleicht hätte sie mehr Stolz an den Tag legen sollen, aber angesichts der Hölle, durch die sie in den vergangenen Jahren gegangen war, wusste sie, wie falsch dieser manchmal sein konnte. Sie war frei, und sie hatte einen Freund, der ihr helfen wollte. Das zählte mehr als Stolz.
»Ich bin bald da«, sagte sie leise, legte auf und starrte in den Spiegel.
7
Es war Montag – ein regnerischer, trostloser Wochenbeginn. Lena lag im Bett, hörte dem Regen zu und versuchte, sich zum Aufstehen zu motivieren. Als sie sich nach dem beschissenen Tag endlich hingelegt hatte, war sie nur Sekunden später eingeschlafen.
Aber sie hatte wieder schlecht geträumt.
War im Schlaf durch den Wald gerannt und verfolgt worden. Gejagt von einem namenlosen, gesichtslosen Ungeheuer.
Und sie hatte von Ezra
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