Blinde Wahrheit
zwei Uhr morgens gewesen, drei Kilometer außerhalb der Stadt und eine Anwohnerin – eine einzige. Aber diese eine Anwohnerin hatte sie gehört.
Als er sich an der Kasse anstellte, um die Cola und das Päckchen Kaugummis zu bezahlen, die er beide eigentlich gar nicht brauchte, hörte er, wie Adrienne Cooper gerade mit Deb darüber sprach. Beinahe hätte er angefangen zu knurren.
Deb Sparks verbreitete Neuigkeiten in der Öffentlichkeit effizienter als jedes andere der Menschheit bekannte Medium. Innerhalb weniger Stunden erfuhren sogar Leute, die nicht mehr in Ash lebten und seit zwanzig Jahren nicht mehr dort gewesen waren, brühwarm den neuesten Klatsch. Selbst entfernte Verwandte, die nur alle Jubeljahre einmal zu Besuch kamen, waren stets auf dem aktuellen Stand des Geschehens.
Verflucht, vielleicht war es sogar die ganze Welt.
Nicht gut. Gar nicht gut.
Dem seltsamen Glänzen in Debs Augen nach zu urteilen, schien sie außerdem ein wenig beleidigt zu sein. Wahrscheinlich nahm sie es Lena übel, dass sie die ganze Aufregung ausgelöst hatte und nicht Deb selbst.
Schade, dass nicht Deb die Polizei gerufen hatte.
Wirklich schade. Sie wusste zwar genau, wie man eine Neuigkeit unter die Leute brachte, aber sie war auch bekannt für ihre manchmal etwas … unzuverlässigen Informationen.
Jemand rief seinen Namen, aber er blieb nur einen kurzen Augenblick in der Glastür stehen. »Ich muss los, tut mir leid!«
Ja, er musste los.
Musste sein weiteres Vorgehen planen. Musste eine Entscheidung fällen.
Auch auf der Rückfahrt hatte er immer noch keine wundersame Erleuchtung gehabt.
Nervös lief er über die festgetrampelte Erde und betrachtete sein Reich, das von batteriebetriebenen Leuchten und Gaslampen in schummriges Licht getaucht wurde. Er lebte nahezu autark, alles war seins. Und er hatte ziemlich viel Zeit investiert, um es zu perfektionieren, damit es genau seinen Wünschen entsprach. Einige seiner Werk- und Spielzeuge waren sogar von Hand gefertigt.
Sein Versteck erfüllte ihn mit Stolz.
Seine eigene kleine Welt.
Und er war knapp – viel zu knapp – einer Entdeckung entgangen. Wenn er entdeckt wurde … Natürlich war es schon immer riskant gewesen, aber dass es so gefährlich werden würde, hätte er nicht gedacht. Er wäre nicht im Traum darauf gekommen, dass so etwas hätte passieren können.
Gefesselt und mit entspannten Gesichtszügen lag sie auf der Pritsche, ihre Brust hob und senkte sich im Rhythmus ihrer tiefen Atemzüge. Sie schlief.
Zweimal war sie kurz davor gewesen, aufzuwachen, aber er hatte ihr einfach mehr Valium gegeben. Vorerst würde er sie ruhigstellen müssen, damit er in Ruhe nachdenken konnte.
Woanders wäre ihm dies vermutlich leichter gefallen, aber er hatte sich einfach noch nicht losreißen können.
Es war wie eine Droge, merkte er – eine süchtig machende, gefährliche Droge, die ganz sicher seinen Verstand ausknipsen würde, wenn er nicht aufpasste.
Aber auch wenn er beinahe erwischt worden wäre, für den Nervenkitzel hatte sich das Risiko gelohnt. Doch wie löste er diese brenzlige Situation nun? Sollte er seine Spuren verwischen? Oder sich der Frau entledigen?
Nein! Vor seinem geistigen Auge durchlebte er die nächtliche Szene noch einmal und hätte sich am liebsten einen dabei runtergeholt.
Sein kleiner Ausflug in die Innenstadt war nicht besonders hilfreich gewesen, um eine Lösung für sein Problem zu finden, und obwohl er eigentlich hatte nach Hause gehen und einen klaren Kopf bekommen wollen, konnte er es einfach nicht.
Doch was nun?
Ja, jemand hatte sie gehört.
Aber sie war keine glaubwürdige Zeugin, immerhin hatte niemand etwas gesehen.
Das war neu für ihn. Ungewöhnlich. Dieses Gefühl der … Unsicherheit. Und gleichzeitig so aufregend. Einerseits hatte er eine Scheißwut auf sie. Andererseits wollte er, dass sie ihm wieder entwischte, damit er diese berauschende Jagdsituation noch einmal durchleben durfte.
Mit trockenem Mund stand er in der Mitte des Raums und drehte sich langsam zur Tür um. Genau dort war es passiert. Kaum hatte er sie wieder in sein Versteck geschafft, als er auch schon von seinem Verlangen übermannt worden war. Nachdem er sie eingefangen und zurückgebracht hatte, war er nur noch von einem Gedanken erfüllt gewesen, sie zu nehmen – hart, schnell und brutal. Er hatte nicht einmal versucht, ihr eine Reaktion zu entlocken.
In seiner Kammer angekommen, hatte er sie gegen die Lehmwand geschleudert, sie dann mit der
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