Blinde Wahrheit
»Ich bin in knapp zehn Minuten da.«
Er legte auf und ging zu seinem Kleiderschrank. Auf dem obersten Regalbrett stand ein kleiner Safe. Allein bei seinem Anblick brach Ezra der kalte Schweiß aus. Trotzdem nahm er ihn heraus. Bevor er die Schranktür wieder zuknallte, griff er sich auch das Schulterhalfter und eine dünne Jeansjacke.
Er zog sich rasch an und trug den Safe in die Küche. Inzwischen zitterten seine Hände so stark, dass er den kleinen silbernen Schlüssel erst beim zweiten Anlauf in das verdammte Schloss bekam.
Er öffnete die Tür, nahm schnell die mattschwarze Glock heraus und lud sie, bevor er es sich anders überlegen konnte.
Eine Minute später verließ er das Haus.
Um nicht an die Pistole unter seiner Jacke denken zu müssen, konzentrierte er sich auf Lena. Einzig und allein auf Lena.
14
»Den Kerl mach ich zu Kleinholz«, wetterte Ezra.
»Er hätte mich nicht darum gebeten, wenn es nicht wichtig wäre.« Lena lehnte sich auf dem Autositz zurück und versuchte zu ignorieren, dass sich ihr der Magen umdrehte, doch es gelang ihr nicht.
»Verflucht, der Mann weiß doch, wie so was geht – wenn man einen Einbrecher sieht, ruft man die Polizei.«
»Eine Freundin ist gerade bei ihm zu Besuch«, erwiderte Lena leise. »Law hat sonst nie Besuch. Von niemandem. Und er bittet mich nie um einen Gefallen. Jetzt hat er es getan, und ich kann ihn ihm nicht abschlagen.«
Ezra hätte beinahe die Einfahrt verpasst. Law brauchte seine Privatsphäre – und hütete sie so wachsam wie ein Hund seinen Knochen. Paranoid – hatte Ezra ihn nicht so bezeichnet? Das war noch untertrieben.
Und wo, bitte schön, lag das Problem bei dieser Freundin?
»Es brennt Licht«, murmelte Ezra, als sie um die letzte Kurve bogen. »Im ganzen Haus. Aber vom Sheriff ist noch nichts zu sehen.«
»Law lässt uns einen kleinen Vorsprung.« Sie hielten vor dem Haus, Lena stieg aus und rief Puck zu sich. Der Hund sprang aus dem Auto, bewegte sich allerdings nur zögernd. Er stieß einen leisen, kehligen Laut aus und zog an seinem Geschirr.
Lena spürte, wie ihr Herz für einen Schlag aussetzte.
»Ezra, siehst du irgendetwas Seltsames?«
»Glaubst du, dann hätte ich dich aus dem Auto aussteigen lassen?«, fragte er entnervt. »Puck starrt in den Wald, am Haus vorbei. Jedenfalls ist es nicht das Haus, das ihm Angst einjagt … sondern irgendwas draußen im Wald. Wer oder was auch immer das sein mag ist wahrscheinlich nicht mehr hier, sonst wäre dein Bodyguard nicht so ruhig. Es gefällt ihm hier nicht, aber wenn noch irgendwer rumlaufen würde, dann würde er dich wohl keinen Schritt weiter vom Auto weg gehen lassen.«
»Hmm.« Lena legte Puck eine Hand auf den Kopf und lächelte. »Hast du das gehört, mein Dicker? Bodyguard hat er dich genannt.« In diesem Augenblick war sie sehr, sehr froh, ihren Hund zu haben.
Ein kalter Schauer lief ihr die Wirbelsäule hinunter, und sie fasste die Hundeleine kürzer. Ich hoffe, du hast inzwischen die Bullen gerufen, Law , dachte sie. »Hey, hast du … ähm, hast du eine Pistole?«
Es folgte ein kurzes Schweigen. »Ja, hab ich.« Ezras Stimme klang barsch und heiser. »Ich hoffe schwer, dass ich sie nicht einsetzen muss, aber ich habe eine, und ja, ich habe sie auch dabei.«
Er stieß die Luft aus. »Wo liegt eigentlich das Problem, Lena? Warum mussten wir unbedingt herkommen, bevor er die Polizei rufen konnte?«
»Ich weiß es wirklich nicht. Er hat mir bloß gesagt, dass eine Freundin von ihm da sei, die beim Anblick einer Uniform ausraste.«
Ezra begann, ungehalten zu fluchen.
»Moment«, unterbrach ihn Lena. »Wer auch immer das ist, sie ist keine Kriminelle. Law lässt sich nicht bequatschen. Wenn die Gute Ärger mit dem Gesetz hätte, müsste sie allein zusehen, wie sie damit fertigwird. Wegen so was würde Law mich nicht aus dem Bett scheuchen.«
Seufzend strich sie sich das Haar aus dem Gesicht. »Es stimmt schon, Law weiß recht gut, wie das mit der Polizei funktioniert. Wenn es nicht wirklich wichtig wäre, dann hätte er uns nicht gebeten, herzukommen.«
Ezras Antwort bestand in einem gereizten Grummeln.
Lena legte ihm eine Hand auf den Arm. »Komm, wir reden mal mit ihr.«
Laws Timing, was den Anruf bei der Polizei anging, hätte nicht besser sein können. Kurz nachdem Lena an die Tür geklopft hatte, heulten in der Ferne die Sirenen auf.
Sie vernahm Schritte hinter der Tür, doch sie erstarben, als offenbar auch die Frau auf der anderen Seite den nahenden
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