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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Brise vom Avon hatte einen beinahe heilkräftigen Geruch, und Melrose mußte an Wiggins denken, der im Krankenhaus schmorte und Josephine Tey las. Er dachte an den spartanisch eingerichteten Raum, dessen aseptisches Weiß nun (hoffentlich) von bunten Farbtupfern aufgelockert war. Er hatte vergessen, Blumen von sich selbst zu schicken. Aber das würde er bei der nächsten Lieferung nachholen.
    An der Tür wurden sie von einem zerzausten schwarzen Kater begrüßt, der aussah, als sei er gerade aus dem Jugendgefängnis entwichen. Wie er da so angeschlagen, zerkratzt und schmutzig saß, hielt Melrose ihn zunächst für eine etwas deplazierte Gartenstatue.
    Aber er sträubte bei ihrem Anblick prompt das Fell. Sein Nackenhaar stand hoch wie ein Irokesenschnitt bei einem Punker vom Piccadilly Circus. Wirklich (dachte Melrose und neigte den Kopf), bemerkenswert ähnlich.
    »Willst du den Durchsuchungsbefehl sehen? Hier.« Lasko entrollte das Papier und hielt es dem Kater vor die Nase.
    »Ein Glück, daß Sie als erster hineingegangen sind«, sagte Melrose.
    Der Kater warf sich in Positur, drehte sich um und stolzierte aus dem Flur.
    Melrose und Lasko folgten ihm in das kleine Vorderzimmer, von wo aus Melrose gleich in die Küche eilte und den Boden inspizierte. Nicht weit vom Mülleimer standen eine Schüssel mit sauberem Wasser und zwei Teller mit Futter, das eine naß, das andere trocken, beides halb aufgefressen. Er schaute sich das Dosenfutter gründlich an.
    »Alles klar, Lady Kennington ist hier, und Sie haben sie nur zufällig nicht erreichen können. Oder sie hat jemanden gebeten, regelmäßig vorbeizuschauen und Fidel Castro hier zu füttern. Das Futter kann noch nicht lange draußen stehen, sonst wäre es zumindest ein wenig trocken geworden. So oder so, getürmt ist sie nicht, Inspector.«
    Lasko zog ein Gesicht, als ob er Schmerzen hätte. »Es so zu arrangieren, daß jemand anderes bis in alle
    Ewigkeit ein Tier füttert, ist ja wohl kein Problem, Mr. Plant.«
    Melrose schüttelte den Kopf. »Nein, das machen die Leute nicht; sie hätte ihn in ein Heim gebracht oder weggegeben. Ich meine auch nur, es sieht eindeutig so aus, als habe sie die Absicht wiederzukommen. Und schauen Sie das übrige Haus an.« Nun waren sie im Wohnzimmer. »Das Buch mit der aufgeschlagenen Seite nach unten auf dem Sessel, die Zeitung, Tasse und Untertasse dort neben dem Sessel. Es sieht ganz so aus, als sei hier jemand schnell weggegangen -«
    »Meine Rede, oder etwa nicht?«
    »- um irgendwas zu erledigen, und sei dann aufgehalten worden. Was ist mit dem Pub, von dem Sie mir erzählt haben? Das sie von der Brauerei kaufen wollte.«
    Lasko blätterte die Briefe und Postwurfsendungen auf dem Tisch durch. »Das habe ich natürlich überprüft. Seit zwei Tagen hat sie dort keiner gesehen.«
    »Ich meine, vielleicht hat sie was in Verbindung damit zu erledigen. Und ist nach London gefahren oder so.«
    »Hm, hm.«
    Lasko glaubte es nicht, ganz klar. Er machte sich nun an der offenen Schublade eines zierlichen Sekretärs neben der Verandatür zu schaffen und blätterte die Papiere dort durch. Melrose war unwohl. Außerdem fand er die Suche sinnlos. »Was meinen Sie, was Sie finden, Inspector?«
    »Keine Ahnung«, antwortete Lasko achselzuckend, schloß die Schublade und wandte den Blick zur Decke. »Ich schau mich mal oben um.« Er ging.
    Melrose blieb im Wohnzimmer stehen und schaute sich seinerseits um. Er fand es gemütlich, angenehm, ein bißchen überfüllt mit den Antiquitäten aus ihrem alten Haus in Hertford. Wie hatte es noch geheißen? Er erinnerte sich, daß er auf der Straße nach Little-bourne daran vorbeigefahren war, ein großes Anwesen, abgeschirmt von einer hohen Mauer, weit weg von allem.
    Auf dem Klapptisch, neben dem er stand und der (seiner Meinung nach) als provisorischer Eßtisch diente, befand sich eine kleine Figurine aus Biskuitporzellan. Er nahm sie und drehte sie um. Woran erinnerte sie ihn? An Jurys Beschreibung des Innenhofes dieses Hauses.
    Stonington. Das war's. Er setzte sich hin und betrachtete die Figur. Und versuchte sich daran zu erinnern, wie Jenny Kennington ausgesehen hatte. Aber es gelang ihm nicht. Er erschrak regelrecht, als er anhand der Ereignisse nach den Morden in Little-bourne feststellte, daß seitdem zehn Jahre vergangen waren. War das möglich?
    Nein, er konnte sich an ihr Gesicht nicht erinnern, sehr wohl aber an ihre Gestalt, isoliert auf der anderen Seite des Grabes. Ruhig und ernst. Kühl

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