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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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und ziemlich elegant. Und noch etwas fiel ihm ein; damals hatte er geglaubt, ihre Hände seien leer gewesen, das stimmte aber nicht. Er hatte dort an der Bö-schung gestanden, zurück zu dem kleinen Friedhof geschaut und bemerkt, daß sie das, was sie in der Hand hielt, in die Manteltasche gesteckt hatte. Und er wußte, nur aus Dankbarkeit (oder mehr) für Richard Jury war das verdammte Ding in ihre Tasche und nicht ins Grab gewandert.
    Melrose seufzte und setzte sich in den bequemen Sessel. Die Spurensuche war zwar nicht unbedingt seine Stärke, aber er bemerkte die halbvolle Tasse mit kaltem Kaffee auf dem Tisch neben sich, die ordentlich bei dem Kreuzworträtsel aufgeschlagene Zeitung auf der zu dem Sessel passenden Ottomane. Er nahm die Zeitung, sank tiefer in die Polster und betrachtete das einzige in Bleistift eingetragene Wort. Nein, ein halbes Wort, denn sie hatte es nicht zu Ende geschrieben. Es mußte - Ball heißen.
    »Ist rund, manchmal aber auch lang und glanzvoll«, lautete der Hinweis. Ein Teekesselchen, dachte er. Aber nur die zwei Buchstaben »BA« standen in den kleinen Kästchen. Daß sie es gewußt hatte, war ziemlich klar. Warum hatte sie dann mittendrin aufgehört und nicht weitergeraten?
    Er schaute von der Zeitung auf und runzelte die Stirn. Hatte das Telefon geläutet? Die Haustürklingel? Dem Zustand des restlichen Hauses nach zu urteilen, dem kalten Kaffee, dem angebissenen Keks, war sie in einiger Eile weggegangen und hatte eine halb ausgetrunkene Kaffeetasse und ein halb geschriebenes Wort hinterlassen. Seltsam.
    Lasko kam gerade die Treppe heruntergestampft, als Melrose wieder in die Zeitung schaute und es sich bequem machte. Bei dem Anblick konnte der Inspector sich eine Bemerkung nicht verkneifen. »Überanstrengen Sie sich bloß nicht, dazu ist das Leben viel zu kurz. Lassen Sie uns lieber was trinken gehen. Sie haben es sich redlich verdient.«
    Melrose überhörte den kleinen Scherz und stand auf. Die Zeitung ließ er liegen.
    Wie ein Butler mit vollendeten Manieren erschien der Kater und überwachte ihren Abgang.
32/II
    Das Dirty Duck war auf. Sowohl in dem Teil, der als Pub fungierte, als auch in dem Restaurantteil (der unter dem Namen Black Swan lief) hatte sich eine stattliche Menge Gäste, die gleich ins Theater wollten, versammelt. Melrose lud Sam Lasko ein, mit ihm zu Abend zu essen, der aber sagte, er habe nur Zeit für ein Bier und müsse dann zurück ins Büro. Und sie hatten gerade ihr Bier im Stehen halb ausgetrunken, da verkündete Lasko, er wolle nur mal eben anrufen, ob es was Neues gebe.
    Melrose belegte einen Tisch, den ein Paar gerade geräumt hatte, und warf einen Blick auf das Programmheft, das die beiden liegengelassen hatten. Die Royal Shakespeare Company zeigte eins der Henry-Stücke, wonach es Melrose indes nicht gelüstete. Er war in der Stimmung für eine Rachetragödie. Das kleine Theater, das sich kokett The Other Place nannte, gab Die Herzogin von Amalfi, aber nicht heute abend. Mist. So was in der Art könnte er jetzt gebrauchen. Oder Der Wechselbalg, Der weiße Teufel, ja sogar Die Tragödie des Rächers, so schwülstig sie auch war. Als er das letztemal in Stratford war, hatte er zwei Anläufe gemacht. Doch jedesmal war er aus der Vorstellung herausgeholt worden, bevor es richtig losging, wie zum Beispiel, bevor Ophelia wahnsinnig wurde und ertrank. Ophelia.
    Nun mußte er wieder an die Tate Gallery denken und die Präraffaeliten, das Gemälde von Millais mit dem armen unglückseligen Mädchen, und in Gedanken wanderte er durch die Galerie - zu dem Bild von Chatterton. Zu Burne-Jones. Rossetti. Er schloß die Augen, legte die Hände um den Kopf, griff sich ins Haar, zog sogar ein wenig daran, erwischte einen Blick auf sein Spiegelbild in einer Spiegelreklame für Malzwhisky, fand, er sah auch wie ein Wahnsinniger aus, und setzte sich wieder ordentlich hin.
    Trotzdem schwirrten ihm tausend Bilder durch den Kopf. Er fragte sich, ob jemals ein Fall durch freies Assoziieren gelöst worden sei. Warum nicht? Jetzt zum Beispiel trieb etwas sanft am Rande seines Bewußtseins, segelte dahin wie ein Meeresvogel, ein schwarzer Flügel flappte .
    Da unterbrach ihn Sam Laskos Stimme. Mit einem frischen Lager und einer weiteren Flasche Old Pecu-lier setzte er sich hin und seufzte tief. Dann nahm er sein Bier. »Ihr Kumpel hat angerufen.«
    »Ich habe viele.«
    »Sergeant Wiggins. Warum ist er im Krankenhaus?«
    »Das weiß ich selbst nicht so genau.«
    »Wie hat er

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