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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Buch wie ein Brevier und preßte es an den Busen. Wenigstens nicht an die Lippen, dachte Melrose. »Ganz schön schlimm für ihn, finden Sie nicht? Von jeher wird er von der Geschichte als derjenige verdammt, der seine Neffen im Tower ermordet hat.« Er sprach von Richard III., der Hauptfigur in Teys Krimi. Traurig schaute Wiggins Melrose an. »Und dabei hat er schon gehinkt.«
    Wiggins stellte das Hinken natürlich in den Mittelpunkt. Körperliche Gebrechen lagen ihm eben sehr viel mehr am Herzen als politische Intrigen. Melrose erwiderte: »Ja, gut, aber wenn ich Sie wäre, würde ich Teys Version nicht zum Evangelium machen. Richard war vermutlich verdammt schuldig. Ich habe gehört, Sie sind bald hier raus.«
    Die meisten Leute hätten sicher mit einem brüsken »Je schneller, je besser« reagiert. Sergeant Wiggins nicht. Er sah unglücklich aus.
    Und nicht nur er. Auch die Privatschwester, die Melrose angeheuert und die ihm draußen im Flur erzählt hatte, daß Wiggins bald entlassen werde. Schwester Lillywhite war eine liebenswürdige Frohnatur und wäre außergewöhnlich hübsch gewesen, wenn ihre grasgrünen, exotisch geschlitzten Augen nicht ein wenig aus der Façon geraten wären. Das eine fokussierte nicht richtig, es hatte Schlagseite. Es sah aus, als folge es seiner eigenen Erkundungsfahrt oder als suche es jemanden, der interessanter war als Melrose.
    Schwer gebeugt unter einer Bücherlast, hatte Schwester Lillywhite am Schwesternzimmer gestanden und gesagt: »In zwei oder drei Tagen wird er entlassen.« Diese Aussicht stimmte sie tieftraurig. »Ehrlich, er war so brav und nett, nicht wie manche, für die ich mir die Hacken abrenne. >Gehen Sie hierhin, gehen Sie dahin, gehen Sie überallhin! Holen Sie mir dies, holen Sie mir das ...<« Ihre Stimme erstarb, während sie die Bücher auf die Hüfte stemmte. Das sah ja nun eher so aus, als habe auch ihr Lieblingspatient sie heftig auf Trab gehalten. Melrose äußerte seinen dahingehenden Verdacht.
    Sie war überrascht. »Aber diese Recherchen, die Mr. Wiggins anstellt, sind so wahnsinnig interessant.« Flink um sich blickend, flüsterte sie: »Er arbeitet an einem Fall - nicht, daß er amtliche Dinge mit mir beredet, das bestimmt nicht«, fügte sie schnell hinzu. »Aber ich finde es großartig, wie er mit nichts als den vier Wänden und der Glotze zum Anstarren daliegen kann und ganz allein all diese Schlußfolgerungen zieht.« Sie gingen zusammen durch den Flur. »Ach, wissen Sie, diese Bücher braucht er jetzt nicht, er hat ja Besuch, also gehen Sie nur zu ihm, und ich komme später mit einer Kanne Tee vorbei.«
    »Das wäre sehr liebenswürdig von Ihnen. Sie waren großartig, Sie haben sich wunderbar um ihn gekümmert.« Melrose hatte schon den Scheck für die Schwester ausgeschrieben und versuchte nun, ihn ihr aufzudrängen. Sie wich ein wenig zurück, als wolle sie ihre Beziehung mit dem interessanten Sergeant nicht auf eine so materielle Basis herunterzerren. »Miss Lillywhite, Sie haben es mehr als verdient.« Melrose faltete den Scheck und steckte ihn in die Tasche ihrer Uniform. Während sie ihm noch überschwenglich dankte, verbeugte er sich und ging durch den Flur zu Wiggins.
    »In zwei, drei Tagen«, sagte Wiggins auf Melrose' Bemerkung. Er hatte es überhaupt nicht eilig, aus dem Krankenhaus zu kommen.
    Bücher gab es auch hier im Überfluß; ein Stapel lag auf Wiggins' Nachttisch. »Ich habe Ihre Schwester auf dem Flur getroffen. Sieht so aus, als habe sie noch einen Stoß Bücher für Sie.«
    Das freute Wiggins. »Lillywhite hilft mir wirklich sehr. Ist sogar in ihrer Mittagspause zu Dillon's oder in die Bibliothek gegangen. Es sind sehr viele Recherchen vonnöten, Mr. Plant.«
    Das konnte sich Melrose ja nun überhaupt nicht vorstellen.
    Im Flüsterton fragte Wiggins: »Haben Sie getan, was ich vorgeschlagen habe, Mr. Plant? Haben Sie sich die Kissen sorgfältig angeschaut?«
    »Ja, aber ich habe nichts gesehen, das man als Botschaft hätte auffassen können. Und sei sie noch so abstrus.«
    »Wenn das der Fall gewesen wäre«, wisperte Wiggins, »dann wäre das Kissen mittlerweile bestimmt entfernt worden.«
    Melrose rieb sich die Stirn. Die Idee, daß Botschaf-ten irgendwo hineingestickt sein sollten, bereitete ihm Kopfschmerzen. Dann wollte Wiggins wissen, ob von »staatlicher Seite« etwas gekommen sei. Habe der Superintendent Informationen geschickt? In Kurzform (damit Wiggins nicht zu viele neue Betätigungsfelder fand) erzählte

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