Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
nicht kitschig.
    Trotzdem: Constables Bild war selbst mit dem Regenbogen wunderschön. Melrose trat näher heran. Unten in die Ecke hatte der Maler ein Kaninchen gesetzt. Melrose hätte am liebsten gelacht.
    Ziellos wanderte er eine Weile herum, die Luft war so kühl wie Marmor. Schließlich schlenderte er in die Modeausstellung - eine Sammlung Damenkleider vergangener Jahrzehnte und Jahrhunderte. Dieses einfach, aber wunderschön geschnittene blaßgrüne Wollkleid würde Vivian gut stehen (fand er). Das hier Miss Fludd. Wieder drängte sie sich in seine Gedanken, und dabei kannte er sie nicht einmal.
    Diese Puppe in Zitronengelb, stellte er sich vor, ging sicher zum Nachmittagstee ins Ritz oder Brown's, die andere dort in mitternachtsblauem Samt mit einer Abendtasche aus Staubperlen sah er im Foyer der Royal Albert Hall bei der Premiere von Schwanensee. (In seinem ganzen Leben hatte Melrose nur ein Ballett gesehen, und zwar das. ) Sie würde mit ihrer Freundin, der Puppe in der pfirsichfarbe-nen Seide, ins Ballett gehen, vermutlich in Herrenbegleitung. Die nächste Puppe war für einen Nachmittag auf dem Lord's Cricketground oder in Wembley angezogen, ach was, noch besser, für die Rennen in Newmarket, wo sie sich (in Gesellschaft ihrer Freunde in grauem Leinen und blaßblauer Baumwolle) an einem Picknickkorb von Fortnum's laben würde. Melrose sah sie alle vor der geschlossenen Hecktür eines Range Rover versammelt.
    (Und in diesem Moment fiel Melrose auf, daß Vivian Wiggins statt Blumen einen Präsentkorb von Fortnum's schicken würde.)
    Gott! Wurde er verrückt, wie er hier vor diesen in ihren Glaskästen eingeschlossenen, androgynen Schaufensterpuppen stand und sich kleine Welten ausdachte? Viel wichtiger war doch, wie er mit echten Frauen zurechtkam. Vivian, Ellen, Polly, Miss Fludd. Wirklich, er hegte ihnen allen gegenüber nur die zärtlichsten Gefühle, hatte aber keine Ahnung, was sie für ihn empfanden. Für Vivian Rivington war er bestimmt wie ein alter Schluffen (und sie war ja auch mit dem verdammten italienischen Grafen Dracula verlobt); für Polly Praed und Ellen Taylor war er offenbar die Denkfabrik, ein zusätzlicher Lektor, der ihr Selbstbewußtsein stärken sollte. Und für Miss Fludd war er eindeutig nichts.

Ja, sie waren auf ihre Art alle wunderbar und dennoch . und dennoch. Warum entzogen sich alle diese Frauen ihm in gewisser Weise? Diese Frage war wichtig. Was hatte er, der doch von so vielen Frauen aus Fleisch und Blut umgeben war, verbaselt, daß er nun zwischen leblosen Puppen stand? Zu seiner Schande mußte er gestehen, daß er an diesem pubertären Glauben an Liebe auf den ersten Blick festhielt. Er glaubte daran, daß Herzen hüpften, Magen krib-belten, die Sprache versagte und die Zeit stehenblieb. An dem Felsen, wo die Loreley sang, brach sich die Vernunft. Und je mehr er versuchte, diese unreife Haltung abzuschütteln und loszuwerden, desto mehr setzte sie sich in seinem Herzen fest.
    Wie kam's, daß die Leidenschaft an ihm vorübergegangen war? War er seinen eigenen Gefühlen gegenüber so unempfänglich? Vielleicht, weil er zu beeinflußbar war, wappnete er sich mit Portwein und Old Peculier und seinem Heim und Herd gegen seine Gefühle. Als er nun von der Dame in Zitronengelb zu der in umbrafarbener Seide schaute - deren Hände starr in der Luft hingen, als wollten sie sich begrüßen oder verabschieden -, fiel ihm nichts, aber auch gar nichts ein, was ihn von seinem behaglichen Kamin hätte weglocken können.
    Er seufzte und trieb sich noch ein Weilchen vor der sportlich gekleideten Dame in Schwarz herum, die sich ein flottes Käppi auf die Locken gedrückt hatte und neben ihren ernsten Schwestern fehl am Platze aussah. Er wurde an Ellen Taylor erinnert. Aber dann schaute er in die leeren Augen der Puppen und spürte die enorme Gleichgültigkeit seiner Umgebung.
38
    Melrose erinnerte sich lebhaft daran, daß die Cripps-Sprößlinge vor Jahren wie Schnecken über seinen Bentley gekrochen waren, und suchte sich einen Parkplatz an der nächsten Querstraße in der Nähe der Fleischerei Perkins - Eins a Fleisch und Wild. Und genau aus diesem Laden marschierten die jugendlichen Vertreter der East-End-Plage nun. Aus Leibeskräften brüllend, zogen sie mit einigen weiß eingewickelten Paketen (und ihrem Schutzgeld) die Catchcoach Street hinunter.
    Melrose schloß sein Auto ab und schaute an dem Spanferkel (wer würde das in dieser Gegend kaufen?) vorbei durch das große Schaufenster in

Weitere Kostenlose Bücher