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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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aufgenötigt hatte. Mit Anweisungen. In der Packung lag ein kleiner Zettel mit Farbcodes. Er nahm das dämliche Ding heraus, studierte es und warf es weg. Solch ein Geschenk war schon ohne die zusätzliche Mühe, die Dosierung zu entschlüsseln, eine Zumutung.
    Er war mittlerweile soweit, daß er ein ganzes Päckchen Players oder Silk Cut hätte vernichten können. Er lief zum Zeitungsstand. Mit, wie er fand, beeindruckender Selbstbeherrschung würdigte er weder die Theke noch die Vitrine, noch die Ständer, wo die Versuchung winkte, eines einzigen Blickes.
    Aus der Vielzahl der Zeitschriften - gab es für jedes Thema eine? - suchte er sich etliche heraus und fand in den endlosen Reihen Taschenbüchern sogar eins von Polly Praed. Er war überrascht, daß sie es schon zu Flughafenpopularität gebracht hatte. Sie tat ja immer so, als verkauften sich ihre Bücher nicht, würden remittiert oder nicht wiederaufgelegt oder Opfer von Bücherverbrennern. Polly war extrem pessimistisch. Der Umschlag war reißerisch, der Inhalt, da war er sich sicher, nicht.
    Jury deponierte seine Käufe in die Nähe der Versuchung - der Zigarettenständer war nicht zu übersehen, er war direkt hinter der Kassiererin und ihrer Computerkasse. Reichlich traurig saß sie da und schüttelte sich das dunkelblonde Haar von der Schulter. Tabakbraun, dachte er. Lächerlich! Aber ihre Augen waren hellbraun, nicht nikotinfleckenbraun. Er betrachtete die bunte Auslage der Zigaretten so sehnsüchtig wie den Horizont eines exotischen Landes, das um so verlockender wird, je mehr es dem Blick entgleitet, sich an einem Strand entlangzieht, der in der dunstigen Ferne ver...
    Schluß jetzt! schrie eine innere Stimme. Jenny ist getürmt, und du denkst nur an die Qualmerei. Muß man denn eine tödliche Angewohnheit unbedingt romantisch verklären? kasteite er sich. Hielt aber plötzlich inne: Moment mal, alter Junge. Okay, das Problem war schon, daß man bei Tabak romantisch werden konnte. Wie oft war Rauchen mit einer angenehmen, schönen Erfahrung verbunden gewesen! Man hatte zum Beispiel auf einem Balkon mit Blick auf ein jaspisgrünes Meer gestanden, in der einen Hand einen Drink, in der anderen eine Zigarette. Oder wie tröstlich war eine Zigarette, wenn man an einem Fenster stand und jemanden weggehen sah. Es war ein Verlust, ganz einerlei, wie sehr man herumräsonierte und vor seinem geistigen Auge die gräßlichen Röntgenbilder zerstörter Lungen erstehen ließ. Über diesen Schreckensbildern lagen andere: der Balkon, das Meer, die Zigarette, der Whisky, der Sonnenaufgang, das Fenster, der Rauch, der Regen. Es war ein Verlust und ebenso schmerzlich intensiv wie der Verlust von Liebe oder Schönheit. Und mit beiden war der Genuß, wenn auch nicht mit böser Absicht, auf heimtückische Weise verbunden.
    Ihr Satansbraten, dachte er und starrte die Reihen glänzender Päckchen böse an.
    Wenigstens dachte er, er habe es gedacht, aber da fuhr die Kassiererin erschreckt auf. »Was?«
    Jury errötete und entschuldigte sich. »Tut mir leid, ich habe nicht Sie gemeint, sondern die da.«
    Sie schaute sich um und wandte sich ihm dann mit unsicherem Lächeln wieder zu. »Sie auch? Ich versuche schon so lange aufzuhören. Seit einer Woche habe ich keine geraucht, aber fragen Sie mich nicht, wie lange ich es noch aushalte. Und dann arbeite ich auch noch ausgerechnet hier. Ich habe schon überlegt, ob ich nicht in eine von diesen Gruppen gehe, wissen Sie, wie die Anonymen Alkoholiker, nur für Raucher.«
    »Bei mir sind's schon zwei Wochen. Die Hölle.« Er knallte noch eine Rolle Pfefferminzbonbons und ein Päckchen Kaugummi auf die Theke. »Ich hasse Pfefferminzbonbons. Kaugummi ist ja gar nicht so schlimm, obwohl ich nie welches gekaut habe.«
    »Ich auch nicht.« Sie gab die einzelnen Artikel ein und legte sie in eine Tüte. »Ich glaube, ich halte nicht durch. Ein Blick genügt, und Sie sehen, wie ich immer schwächer werde.«
    Das sagte sie in einem derart ernsthaften Ton, daß Jury lachen mußte. Sie auch. »Hören Sie«, sagte er. »Schließen wir eine Wette ab. Oder sagen wir, einen Pakt. Ich fliege für ungefähr drei, vier Tage weg. Wenn ich wieder in Heathrow bin, erzählen wir uns, wie die Sache steht. Aber wir müssen einen Preis aussetzen.« Er schaute über die Theke zu einer dahinter befindlichen Vitrine, in der Modeschmuck und Parfüm lagen. »Ist da was drin, das Ihnen gefallen würde?«
    Vor lauter Paktiererei wurde sie ganz aufgeregt und atemlos.

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