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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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küssen, daß man Kriminalfälle vom Krankenhausbett aus lösen konnte. »Überhaupt nichts. Nur, daß die Person dann abstreiten würde, den Betreffenden zu kennen.« Sorgsam strich Wiggins seine Bettdecke glatt. »Woher wissen Sie denn so genau, daß es eine Telefonnummer ist?«
    Melrose war völlig überrascht. »Weil ... ich hab's Ihnen doch gerade gesagt. Die Polizei in New Mexico hat dort angerufen. Und hat ja auch jemanden erreicht. Wen, weiß ich nicht, aber diese Person hat gesagt, sie wisse nicht, wovon die Rede sei.«
    Wiggins zuckte die Schulter. »Obszöne Anrufer wählen oft ganz willkürliche Zahlen.«
    »Was hat denn das mit obszönen Anrufen zu tun?«
    »Gar nichts. Es geht ja auch gar nicht darum, sondern um die Willkürlichkeit. In Anbetracht aller existierenden Telefonnummern - Gott weiß, was für eine Zahl dabei herauskäme - kann man durch puren Zufall auf eine echte kommen. Nur weil es eine solche Nummer gibt, heißt das ja nicht, daß nicht noch was anderes dahinterstecken kann.«
    Melrose überlegte. Natürlich war das möglich.
    »Wenn also die Nummer von dem, was wir suchen, dieselbe ist wie die in - wo?«
    »Española.«
    »Española, dann könnte es immer noch ein Zufall sein.« Wiggins schloß friedlich die Augen und faltete die Hände über dem Buch. Er sah jetzt aus wie ein weiser, alter Eremit in seiner Höhle.
    Melrose schämte sich, ihm wurde peinlich bewußt, was für eine herablassende Haltung er gegenüber dem Sergeant oft einnahm. Es war sogar eine sehr gute Idee. Aber Wiggins hatte trotz all seiner guten Eigenschaften nie großartige deduktive Fähigkeiten an den Tag gelegt. Wiggins' Verdienste lagen in seiner Verläßlichkeit, seiner akribischen Mitschreiberei und seinem Blick fürs Detail und vor allem in der Art, wie er die Schwächen der Zeugen widerspiegelte. Mit Wiggins konnten sie sich identifizieren. In Gegenwart des Sergeant fühlte sich niemand genötigt, unfehlbar zu sein - tapfer oder stark oder gesund. Man konnte die Taschentücher herausziehen, losschniefen und -schnaufen, Kopf- und Gliederschmerzen haben, den Tränen freien Lauf lassen. Jury (dachte Melrose) war auch gut in diesen Situationen. Aber Wiggins war besser; Wiggins war Otto Normalverbraucher. Das war sein Vorzug, nicht deduktive Intelligenz.
    Deshalb war Melrose so überrascht, daß Wiggins mit einer Idee ankam, auf die sonst noch niemand verfallen war, auch Commander Brian Macalvie nicht. Alle glaubten, daß es sich hier um mehrere Telefonnummern handelte.
    »Was meinen Sie denn? Was könnte denn diese Nummer sonst noch bedeuten?« fragte Melrose und kam sich reichlich begriffsstutzig vor.
    Aber der weise Eremit hielt die Augen geschlossen, machte eine abschätzige Handbewegung und sagte: »Hm, da müssen wir ja nun wohl mal unsere kleinen grauen Zellen aktivieren, Sir.« Er gähnte.
    »Wohl wahr.« Melrose erhob sich. »Dann will ich mal gehen. Und meine kleinen grauen Zellen aktivieren.«
    Wiggins machte keine Anstalten, ihn zurückzuhalten, er schlug auch die Augen nicht auf.
    An der Tür hörte Melrose ein Schnarchen vom Bett. Wiggins lag mit offenem Mund da und schnarchte laut vor sich hin, sein Kopf ruhte auf dem Stapel pludriger weißer Kissen, die Hände waren auf dem Alibi für einen König verkreuzt.
    Der Eremit schlief in seiner Wolkenhöhle.
    Melrose begab sich schnurstracks ins Schwesternzimmer, wo er mit der Oberschwester über die Möglichkeit, eine Privatschwester für den Sergeant zu engagieren, sprach. Ja, selbstverständlich könne das arrangiert werden. Melrose gab ihr seine Adresse und Telefonnummer und sagte, daß er alle anfallenden Kosten übernehmen werde, man dem Patienten aber nicht sagen dürfe, daß es sich um eine Privatschwester handle. Die Oberschwester verstand.
    Danach begab er sich in einen Blumenladen in der Fulham Road, nicht weit vom Krankenhaus. Er aktivierte seine kleinen grauen Zellen und erstellte eine Liste von Namen. Dann orderte er bei einer freundlichen Dame vier verschiedene Sträuße, nahm vier weiße Karten von einem Ständer und schrieb vier verschiedene Namen darauf. Wobei er jedesmal seine Schrift veränderte. Er wies die Floristin an, die Sträuße nicht alle auf einmal, sondern zu verschiedenen Zeiten zu liefern, gab ihr ein fürstliches Trinkgeld und ging pfeifend die Fulham Road hinunter.
20/I
    Mr. Beaton, Melrose' Schneider, unterhielt sein Etablissement nicht im vornehmen Mayfair oder in der Regent oder Bond Street. Überraschenderweise lag

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