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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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sind, sich etwas verdammt Albernes anzuhören.«
    »Heraus mit der Sprache. Für meine Albernheit, mein Lieber, bin ich doch bekannt.«
    »Ich bitte Sie, Lady Cray, Sie vergessen, daß ich Sie ein wenig kenne. Sie sind alles andere als albern.«
    Sie zuckte zurück und nahm die Hand von seinem Arm. »Nun stellen Sie mich nicht tugendhafter dar, als ich bin. Sie kennen mein Laster. Lassen Sie mal die alberne Theorie hören.«
    »Sie bezeichnet es als >Stendhal-Syndrom<.«
    »Das was?«
    Melrose erklärte es. »Kunstsüchtige wie zum Beispiel Stendhal können vor großartigen Gemälden regelrecht kollabieren.«
    »Lieber Himmel! Wollen Sie damit sagen, daß Fanny, die, was große Kunst angeht, eigentlich nicht so leicht zu beeindrucken war, sich in der Tate zuviel zugemutet hat?«
    Melrose antwortete ausweichend. »In der >Swagger<-Ausstellung stand ich plötzlich vor einem Bild und hatte das Gefühl, als würde ich entsetzlich - geschlagen, wissen Sie, als schiebe mich eine Wand aus Händen zurück. Das meinen die Leute bestimmt mit der Redewendung, es habe ihnen den Atem verschlagen.« Er dachte, sie würde etwas sagen, sich erkundigen, welches Bild ihn in so einzigartiger Weise berührt hatte, aber sie tat es nicht. Vielleicht respektierte Lady Cray die Privatsphäre, in die er selbst, ohne es zu wollen, eingedrungen war.
    Lady Crays fein geschwungene Augenbrauen zogen sich zusammen. »Was hat sich Fanny angeschaut?«
    »Chatterton.«
    Sie sah wieder zu Philips Bild. »Aber eigentlich besteht keine Ähnlichkeit.«
    »Ich glaube, doch.«
    »Soweit ich mich erinnere, war Chatterton sehr jung .«
    »Siebzehn.«
    ».... bettelarm, ohne Freunde, und am schlimmsten: als Plagiator bloßgestellt. Irgend so was. Künstler schon, und das war Philip ja auch. Aber darüber hinaus sehe ich keine Ähnlichkeit.«
    »Also, ich überlege eher, ob sie sich charakterlich ähnlich waren.« Mit einer Handbewegung wehrte Melrose einen Einwand ab. »Doch darum geht es gar nicht. Ich meine etwas viel Simpleres.« Melrose deutete mit dem Kopf zu dem Bild. »Als Toter hätte er anders ausgesehen.«
    »Natürlich, aber Fanny hat ihn -«
    »Nicht gesehen? Nein. Aber man hat ihr erzählt, wie und wo er gestorben ist. Der tote Philip Calvert lag auf einer Art Schlafcouch. Sie hat ihn nicht gesehen. Um so schlimmer. Da hat sie ihn sich nämlich vorgestellt. Ich schätze, sie hat ihn wie Chatterton daliegen sehen, über ein schmales Bett hingestreckt. Selbst die Bücher und die Papiere auf dem Boden müssen sie daran erinnert haben. Richard Jury hat man jedenfalls den Fundort von Philip Calverts Leiche ähnlich geschildert.«
    Als sie sich umdrehte und ihn anschaute, glitzerten ihre blauen Augen. »Nun überlegen Sie doch mal. Wenn dem so wäre, hätte Superintendent Jury keinen vernünftigen Grund, Fannys Tod mit dem Tod dieser armen Frau in Exeter in Verbindung zu bringen. Und, weiß Gott, schon gar nicht mit der Leiche, die man bei Salisbury gefunden hat. Und ich gehe doch wohl recht in der Annahme, daß die Opfer nicht alle das Bildnis des armen treuen Chatterton betrachtet haben.« Lady Cray begab sich wieder zu ihrem Platz.
    »Nein. Aber Ihre Freundin Mrs. Hamilton und Mrs. Hawes waren offensichtlich zur selben Zeit in Santa Fe.«
    »Mrs. Hawes?«
    »Helen Hawes war die Frau in der Kathedrale. Und die tote Frau, die man in Old Sarum gefunden hat, kam aus Santa Fe.« Das sagte er eher zu dem Bild als zu Lady Cray. Aus irgendeinem Grunde hatte er sich in das Licht darin verliebt, die winzig kleinen goldenen Tupfer, die sich über den Schal und den Tisch ergossen; die schimmernde Haut des jungen Mannes. Melrose legte den Kopf zur Seite, unerklärlicherweise ließ ihm das alles keine Ruhe. Dann drehte er sich um, setzte sich wieder hin und ließ sich noch einen Drink einschenken.
    »Zur selben Zeit?« Sie lachte kurz auf. »Na, tausend andere auch, möchte ich annehmen.«
    »Die sind aber nicht tot.«
    Sie schaute ihn an und zuckte unmerklich mit den Schultern. »Das stimmt natürlich. Wie dumm von mir.«
    Melrose nahm die Fotokopien aus der Innentasche seines Jacketts. »Würden Sie sich die einmal anschauen?«
    Sie nahm die Seiten, betrachtete sie sorgsam und fragte dann: »Sollte ich das kennen? Es scheint ein Terminkalender zu sein.«
    »Nein, solch ein kleines Adreßbuch. Sie haben es vielleicht nie gesehen, aber was ist mit der Handschrift?«
    »Meinen Sie, es ist Fannys?«
    »Ich frage nur. Es befand sich im Besitz der Frau, die in der

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