zündende Idee kommen, die ihr ganzes Leben verändern würde. Der mögliche Weggang von Philippe bedrückte den eher labilen Noah, der nur schwer mit Veränderungen zurechtkam und viel zu viel arbeitete. Die Freundschaft mit Philippe war eine der wenigen Konstanten in seinem Leben.
Zwei Tage nach dieser Diskussion kündigte Philippe. Kaum war er aus der Drehtür, riss er sich die Krawatte vom Hals und stopfte sie in die Tasche seines Sakkos. Ein neues Leben lag vor ihm! Er zündete sich eine Zigarette an und ließ den Strom der Passanten an sich vorüberziehen. Dann fuhr er sich mit der Hand durch die Haare und stürzte sich in den Trubel der Londoner Straßen.
Noch am Vorabend hatte ihn Nancy verlassen, die sich furchtbar über seine ihrer Meinung nach verantwortungslose Kündigungsabsicht aufgeregt hatte. Und was war mit ihren Plänen, zusammenzuziehen und sich ein gemeinsames Leben aufzubauen? Wenn er bei seiner Entscheidung bliebe, würde er sie nie wiedersehen. Und so kam es, er sah sie nie wieder.
Philippe war im Grunde ein Abenteurer, ein Künstler. Er wollte Spaß bei der Arbeit haben, etwas entdecken, etwas Neues schaffen. Seine Zeit angenehm verbringen, heute hier, morgen da. Flüchtige Begegnungen auskosten, seine Grenzen austesten, die Welt hinter dem Spiegel entdecken.
Nassau, Rosebud Road
Philippe schloss die Tür des Hauses, das er seit seiner Ankunft vor gut zwei Jahren hier in Nassau bewohnte. Er hatte im Internet nach einer Bleibe gesucht, und da er sich nicht mit Besitz belasten wollte, hatte er es nur gemietet. Sein Leben hatte wieder halbwegs in regelmäßige Bahnen gefunden, auch wenn es ihm selbst immer noch sehr locker vorkam. Er hatte ein wenig zugenommen, die Sonne der Bahamas hatte sein Gesicht gebräunt. Seine Kleidung war legerer geworden, er trug weite, bunte Hemden und Flipflops. Die Nachmittage verbrachte er gerne an der Bar des Atlantis Paradise Hotel. Mit einem Laptop und einem Buch hing er dort bis Sonnenuntergang rum. Er hatte sich ein wenig mit Frankie dem Barmann angefreundet, der im Rhythmus der Touristen und der Sonne lebte. Seit seinem zwanzigsten Lebensjahr mixte Frankie die verrücktesten Cocktails, zu denen er sich von der Musik der Inseln inspirieren ließ. Er wirkte wie aus einem Film entsprungen oder aus einem Flyer, wie sie in Reisebüros ausliegen.
»Hallo, Frankie.«
»Ah, mein Freund, wie geht’s? Ich warte seit zwei Tagen auf dich.«
»Ich musste mich ein wenig ausruhen … Und dann habe ich ein bisschen gearbeitet, wurde mal wieder Zeit.«
»Wie, du und Arbeit? Mit deinem Computer da? Du siehst nicht aus, als ob du das nötig hättest.«
»Wenn ich weiter deine leckeren Cocktails schlürfen will …«
»Gutes Stichwort, ich habe einen neuen kreiert. Diamond Lemon heißt er. Du musst mir unbedingt sagen, was du davon hältst.«
»Jetzt nicht, vielleicht später.«
»Was ist los, das ist nicht mein alter Phil! Na gut, wenn du nicht trinken willst, schau mal dort rüber, sie scheint sich zu langweilen, die Ärmste …«
So redete Frankie unentwegt, immer lächelnd, immer auf Draht. Das Atlantis war seine zweite Heimat, seine Familie. Sein Bruder war dort Etagenkellner und seine Schwester Putzfrau. Drei Kinder aus einer armen Familie, die es in gewisser Weise geschafft hatten. Selbst wenn ihr Großvater, dem noch die englische Kolonialzeit in den Knochen steckte, ihnen bei jeder Gelegenheit unter die Nase rieb, sie seien auch nur drei Schwarze, die sich für die Weißen abrackerten.
Boston, Büros von Powerfood, am gleichen Tag
»Ich will nicht wissen, warum wir in dieser Lage sind, sondern was Sie unternehmen, um uns da wieder rauszuholen.«
»Ich denke, ich werde versuchen, Kontakt mit dem Eigentümer aufzunehmen.«
»Worauf warten Sie dann noch? Ans Telefon! Hampeln Sie nicht auf Ihrem Stuhl herum, handeln Sie!«
»Ja, Sir.«
»Wofür bezahle ich eigentlich eine komplette Abteilung für solche Probleme … Wer ist denn der Eigentümer des Domainnamens?«
»Ich habe nur einen Firmennamen und eine Mailadresse,
[email protected].«
»Consult@consultclick? Wer legt sich denn einen solch amateurhaften Doppelnamen zu?«
»Es sieht leider so aus, als hätten wir unsere Rechte an dem Domainnamen nicht rechtzeitig erneuert. Die Informatikabteilung war der Ansicht, das sei Sache des Marketings, die wiederum dachten …«
»Das interessiert mich nicht! Bringen Sie das in Ordnung, und sagen Sie mir Bescheid, wenn es erledigt ist.«
»Sehr wohl,