Blinder Einsatz
Sir.«
»Und ich will, dass vierundzwanzig Stunden am Tag jemand vor diesem verdammten Computer sitzt, auch am Wochenende!«
Nassau, Bar des Atlantis Paradise Hotel
Philippe hatte die schöne Unbekannte angesprochen, auf die ihn Frankie aufmerksam gemacht hatte. Viele Mädchen, die hier ihre Ferien verbrachten, sagten nicht nein, wenn sich die Gelegenheit zu einem Abenteuer bot. Kleine Liebeleien wurden mit einem Blick angebahnt, kamen mit dem ersten Wort in Gang und wurden mit einem Abschiedskuss beendet. Philippe war ganz und gar kein Frauenheld, er profitierte einfach von den günstigen Umständen. Er sah nett aus und verstand es, locker zu plaudern. Noah amüsierte sich sehr, wenn Philippe ihn anrief und ihm von seinen neuesten Eroberungen berichtete. Der Philippe, den er früher gekannt hatte, hatte sich immer linkisch gegenüber Mädchen angestellt und nie irgendwelche Geschichten zu erzählen gehabt. Nun hatte Noah den Eindruck, dass Philippe sich in dieser Hinsicht etwas von ihm abgeschaut hatte. Sie lachten zusammen, wenn Philippe den Lebensstil der Bahamas, der sich nicht mit existentiellen Fragen aufhielt, rühmte. Sie telefonierten praktisch jede Woche und tauschten sich über persönliche Dinge und ihre neuesten Ideen aus.
Der jungen Unbekannten machte es Spaß, neue Leute kennenzulernen und auszufragen. Schließlich war sie Psychologin. Und Philippe hatte sie sogar für seinen Beruf interessieren können, was selten der Fall war.
»Nachdem ich meinen Job in London aufgegeben hatte, wusste ich zunächst nicht, was ich machen wollte. Ich habe mich eine Weile treiben lassen, ein bisschen geschaut, wo sich im Netz neue Geschäftsfelder auftun und was Firmen so brauchen, die sich im Internet präsentieren wollen. Dann habe ich einen ehemaligen Kollegen gefragt, ob er ein Projekt mit mir aufziehen will. Wir haben zwei Monate an einer Software gebastelt, einer Art Robot, mit dem wir frei gewordene Domainnamen aufgespürt haben. Ein ziemlich komplizierter Algorithmus, aber ein sehr wirkungsvolles Werkzeug. Damit kann ich die Namen praktisch automatisch erwerben, um sie dann wieder zu verkaufen, wenn es einen Interessenten gibt.«
»Aber das muss doch eine Menge Geld kosten?«
»Nein, nicht unbedingt. So ein Domainname kostet um die 15 Dollar. Einige kann ich für 4000 oder 5000 Dollar wieder verkaufen, manchmal sogar noch mehr.«
»Der Robot arbeitet selbstständig?«
»Ja. Man nennt das Cybersquatting. Aber mit der Zeit fand ich es besser, selbst aktiv zu werden, also mir zu überlegen, wie in Zukunft besonders nachgefragte Domainnamen lauten könnten und auf sie sozusagen eine Wette abzuschließen. Das können die Schlagerstars von morgen sein oder demnächst angesagte Konsumartikel … ich setze darauf, dass sie Erfolg haben, was unvermeidlich mit der Einrichtung einer Website verbunden ist. So konnte ich zum Beispiel 2004 anlässlich der amerikanischen Präsidentschaftswahlen mit der Adresse www.ilovejohnkerry.com landen. Die habe ich für 50 000 Dollar verkauft. Das ist schon etwas anderes als bloßes Cybersquatting, da wird die Sache spannend. Das kann eine richtige Leidenschaft werden: Sobald man von einem Produkt, einer neuen Dienstleistung, einem Ort, einer Person, einer Rockgruppe oder was auch immer hört, fängt man sofort an zu überlegen, welchen Domainnamen sie sich zulegen könnten.«
»Und kaufst du die Namen für alle Toplevel-Domains?«
»Nein. Ich beschränke mich in der Regel auf ›.com‹, weil das international am meisten nachgefragt wird. Und dann habe ich auch noch ein paar Druckmittelchen, um meine potenziellen Kunden zu überzeugen, dass sie auch die Namen kaufen wollen, die mir gehören.«
»Aber warum hast du dich ausgerechnet hier niedergelassen, so weitab vom Schuss?«
»Gerade weil es so weitab vom Schuss ist. Die Behörden hier nehmen alles nicht so genau, das ermöglicht mir eine gewisse Kreativität im Umgang mit dem internationalen Recht und garantiert mir Anonymität. Außerdem lebt es sich hier sehr angenehm, ich habe viel Zeit für viele schöne Dinge. Das Leben in London kann auch spannend sein, aber das habe ich nun ein paar Jahre lang mitgemacht – und am Ende ist außer Stress nichts für mich dabei herausgekommen.«
Eine Stunde später verabschiedete sich die Psychologin freundlich, lehnte aber seine Einladung zum Essen ab. Sie wolle noch eine Woche bleiben, sagte sie, also würden sie sich bestimmt noch mal sehen.
»Na? Nicht schlecht, die Kleine,
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