Blinder Einsatz
Sachverhalt sie nicht kennt. Aus diesem Grund ziehen wir es häufig vor, in juristischen Freiräumen zu operieren. Es ist uns zum Beispiel nicht verboten, Privatpersonen anzuheuern, die sich frei von einem Land ins andere bewegen und Fragen stellen können, um Informationen für uns zu sammeln. Ich glaube, Madame Haarmet hat Ihnen einen Umschlag zukommen lassen.«
»Ja, aber ich habe nicht genau verstanden …«
»Wir möchten, dass Sie Ihre Ermittlungen fortsetzen. In dem Umschlag befinden sich wichtige Informationen, die Ihnen weiterhelfen. Wir vermuten, dass Kevin Durant in diese Affäre verwickelt ist. Wir müssen einen Weg finden, um ihn zu verunsichern. Und genau das könnten Sie tun.«
»Ich? Haben Sie nicht zuvor davon gesprochen, dass Sie mir nur ein paar Fragen stellen wollen?«
»So ist es. Aber diesmal müssen wir etwas weitergehen, das heißt, Sie müssen weitergehen. Sie müssen versuchen, mehr herauszufinden.«
»Und wie soll ich an die Informationen rankommen?«
»Wir zählen da ganz auf Sie, denn wenn ich mich nicht irre, ist die Beschaffung von Informationen Ihr Beruf. Ein Glücksfall für uns, an einen Profi wie Sie geraten zu sein. Kevin Durant ist Ende der Woche in Las Vegas, wo er anlässlich der Pokerweltmeisterschaft die Großveranstaltung eines Anbieters von Online-Spielen eröffnen wird. Fliegen Sie dorthin, und hören Sie sich um! Niemand wird auf Sie achten, weil man Sie dort nicht vermutet. Natürlich schicken wir ein Team dorthin, das eingreifen kann, wenn es gefährlich für Sie wird. Wir werden die ganze Zeit bei Ihnen sein, da wir Ihr Handy auf Empfang halten. Sie erhalten von uns noch ein anderes, über das Sie sicher mit uns kommunizieren können. Aber vergessen Sie nicht, dass uns die Hände gebunden sind. Sie sind ganz auf sich gestellt!«
»Und warum sollte ich das alles tun?«
»Sie sind hergekommen. Das bedeutet, Sie wollen wirklich wissen, was los ist, und Ihren Freund wiederfinden. Und genau das schlagen wir Ihnen vor – auch wenn es nicht ganz ungefährlich ist. Wären Sie bereit, jetzt einfach aufzugeben und nach Hause zu gehen? Ich glaube nicht. Also helfen Sie uns.«
Constance konnte es nicht fassen. Interpol verlangte, dass sie sich ohne jede Sicherheit und ohne konkrete Anhaltspunkte mitten ins Netz der Spinne begab. Aber Neil O’Brien hatte recht. Sie wollte jetzt nicht aufgeben. Dafür steckte sie schon viel zu tief in der Sache drin. Unmöglich konnte sie jetzt darauf verzichten, die einzige Spur zu verfolgen, die ihr vielleicht half, Hughs Verschwinden aufzuklären.
O’Brien wollte sofort eine Antwort von ihr. Sie willigte ein.
9
Schon wenn ich mich dem Spielsaal nähere
und noch zwei Räume von ihm entfernt bin,
bekomme ich fast Krämpfe,
sobald ich das Klirren
des hingeschütteten Geldes höre.
Fjodor M. Dostojewski, Der Spieler
London, 6. Juli
Noah wartete ungeduldig auf den Rückruf von Kramer Investment. Er machte sich Sorgen, weil er den Preis für den Domainnamen ausgeplaudert hatte. Damit hatte er zwar das Interesse seines Gesprächspartners geweckt, doch was wurde nun aus Philippe, der ihn doch dringend um Stillschweigen gebeten hatte? Kramer Investment musste jetzt reagieren, es blieb ihnen gar nichts anderes übrig.
Nach einer halben Stunde klingelte sein Handy, die Nummer des Anrufers war unterdrückt.
»Noah Crouch?«
Das war nicht der Strategieexperte.
»Ja.«
»Heute Abend 23 Uhr im Gore Hotel, Queens Gate 190. Kommen Sie allein. Setzen Sie sich einfach an die Bar, wir werden Sie schon erkennen.«
»Warten Sie. Wer sind Sie überhaupt? Was glauben Sie, was …«
»Bis heute Abend.«
Aufgelegt. Noah saß einfach nur da und starrte auf sein Handy. Das hatte schon anders geklungen als beim ersten Telefonat. Die Summe zu erwähnen hatte sich wirklich gelohnt, auch wenn er nun doch ein wenig beunruhigt war. Er wunderte sich, dass man sich in London mit ihm verabredet hatte. Woher wussten die, dass er hier lebte und arbeitete? Vielleicht hatten sie den Anruf ja zurückverfolgt. Immerhin war es ihm gelungen, sie aus der Reserve zu locken. Den Rest des Tages verbrachte er mit Recherchen über den Kramer-Konzern, um für alles gewappnet zu sein.
Das Gore Hotel lag am anderen Ende von London zwischen Hyde Park und Kensington, einem sehr schicken, aber nicht gerade citynahen Viertel, in das er sich selten verirrte. Schon lange war er nicht mehr zu Fuß durch London gegangen, doch heute nahm er sich die Zeit. Vielleicht half ihm ein
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